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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Mauerreste noch zu brauchen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, sprang er in die Furche, sprang mit den Hacken voran tiefer; als er außer Hörweite war, sagte Magdalena. »So voller Stolz habe ich ihn noch nie erlebt. Ihr seid sehr gut zu ihm, Herr.« »Rupert hat mich bisher noch nie enttäuscht …« Til sprach nicht weiter. Die Blicke prüften sich, Magdalena hielt stand, dennoch spürte sie wieder den Herzschlag. »Das ist gut so, Herr.«
»Lass uns zur Bergkuppe hinauf!« Leicht strich seine Hand im Vorbeigehen ihren Arm, und er flüsterte mehr zu sich selbst: »Ich möchte es einfach nicht glauben.«
Die Berührung schmerzte auf der Haut. Magdalena hastete ihm nach, mühte sich trotz der ausholenden Schritte, an seiner Seite zu bleiben. »Was wollt Ihr nicht glauben?«
Er antwortete nicht. Sie ertrug das Schweigen kaum. »Bitte, Herr, geht wenigstens nicht so schnell.«
Kein Ausatmen oben auf dem langgestreckten, zwischen Steinbrocken mit Gras bewachsenen Sporn, kein Blick in die sonnenklare Weite oder hinunter auf den Main und Würzburg. Er stand da und sah auf den Grasboden neben ihren Füßen. »Es geht das Gerücht … Kurzum, ich habe von meiner Frau erfahren … Glaub mir, ich hasse die Frage, muss sie aber dennoch stellen …«
»Es ist wahr, Herr«, unterbrach ihn Magdalena.
»Du willst sagen, dein Sohn bemüht sich um meine Tochter?«
»Das ist … ist sehr milde ausgedrückt.«
Langsam griff er nach seiner Kopfbedeckung, ging einige Schritte, jäh schlug er das Barett in die freie Hand. »Also weißt du schon lange davon!« Erneut ein Schlag. »Duldest sogar diese Liebschaft! Oder hast sie gar gefördert!«
»Was redet Ihr da?« Von einem Lidschlag zum nächsten fraß der Zorn die Enge in der Brust. »Wer hat das behauptet? Etwa Eure tüchtige Hausfrau? Sie hasst mich, und das wisst Ihr genau. Verflucht, seht mich an, Herr!«
Til wandte sich um. »Die Tatsachen sprechen …«
»Tatsachen?« Magdalena stampfte mit dem Fuß auf. »Tatsache ist nur, dass ich die Mutter von Florian bin und Ihr der Vater von Katharina seid. Und ich weiß von den beiden seit einigen Wochen …«
»Also doch. Warum bist du nicht gleich zu mir gekommen?«
»Ich wollte, aber ich konnte noch nicht.« Die Kraft verließ sie, und Übelkeit blieb. »Weil ich so entsetzt war.« Ihre Stimme zitterte. »Weil ich es nicht rechtzeitig gespürt habe.« Sie deutete auf einen Steinbrocken in der Nähe, war schon unterwegs und setzte sich trotz des neuen Kleides. »Der Gedanke, dass ausgerechnet mein Sohn Eurer Tochter das angetan hat, raubt mir den Schlaf. Und glaubt mir, hätte ich es auch nur vorher geahnt, wie eine Furie wäre ich dazwischengegangen.«
»Willst du damit sagen …?« Til griff sich ins Haar. »Großer Gott, nein. Du meinst, meine Tochter ist nicht mehr im Besitz ihrer … ihrer Jungfernschaft?«
»Er hat es mir gesagt, als er betrunken nach Hause kam.« Magdalena stiegen die Tränen. »Das, Herr, das ist die schlimmste Tatsache. Oh, ich schäme mich so für meinen Sohn.«
Er ging bis zum Rand des Bergsporns, stand dort den Kopf gesenkt, reglos. Erst nach einer Ewigkeit für sie kehrte er zurück. »Was ist zu tun?«
Endlich begegneten sich die Blicke wieder. »Bitte klagt ihn nicht bei Gericht an. Fort, ich gehe mit Rupert und Florian weg, zurück nach Mühlhausen oder weiter noch, wenn Ihr es verlangt. Er ist doch jung, das Leben liegt noch vor ihm.«
»Und meine Katharina? Ihre Zukunft?«
Ein erstickter Schluchzer, Magdalena stützte die Stirn auf und weinte still im Schatten ihrer Hand.
»Es muss sich eine Lösung finden lassen«, hörte sie ihn sagen, dann fühlte sie sein behutsames Streicheln übers Haar, den Nacken, dann den ruhigen Druck auf ihren Schultern. Trotz quälender Sorge war ihr mit einem Mal wohl. So bleiben und stark werden, dachte sie, so vertraut … Tief in ihrem Schoß erwachte Wärme, das Ziehen wurde stärker, hastig suchte sie nach der Hand auf ihrer Schulter, wischte mit ihr die Augen und schmiegte die Wange daran. Einen Moment blieb die Zeit stehen. »Entschuldigt, Herr.« Sie löste sich. »Da heule ich und suche Trost. Dabei hab ich selbst Mitschuld an dem Unglück, weil ich es nicht vorausgesehen habe.«
»Auf keinen Fall möchte ich, dass du fortgehst.« Ganz in Gedanken berührten seine Fingerkuppen wieder ihr Haar; als es ihm auffiel, nahm er die Hand zurück. »Und es wird auch keine Anklage geben. Der Schaden ist groß, ohne Frage. Wir aber sind die Eltern, und zunächst haben wir die

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