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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Rappen trug geschlitzte rote Pluderhosen und darüber das schwarze, dick gesteppte Franzosenwams. Er wandte sich seinem Begleiter zu, von der üppigen Pfauenfeder an seinem Hut tropfte die Nebelnässe. »Vor allem benötigen wir noch mehr Feuerteufel.« Joß Fritz hob mahnend den Finger. »Erinnere unsere Werber daran, Stoffel. Ich will, dass in jedem Ort mindestens zwei Männer bereitstehen. Falls der eine Angst bekommt oder entdeckt wird oder warum auch immer ausfällt, muss der zweite den Brand legen. Feuer, mein Freund, Feuer stiftet Verwirrung. Und wenn unser Heer vor eine Stadt zieht, dann soll drinnen gleich der Brand hochschlagen.«
»Ich bestell’s dem Michel. Er kann’s an die Unterwerber weitergeben.« Stoffel von Freiburg gähnte ausgiebig: »Bin froh, wenn ich unten in Waldkirch mein Bett sehe. So eine Nacht ohne Schlaf geht schon in die Knochen.«
»Gut, dass keiner zuhört.« Ärger schwang in der Stimme mit. »So jung und so schlapp. Was soll ich mit meinen bald fünfzig Jahren denn sagen?« Aus Furcht vor Verrat hatten sich die beiden Anführer des neuen Bundschuhs in einer entlegenen Waldhütte getroffen. Alle Einsatzpläne waren noch einmal genau durchdacht und die letzten Vorbereitungen verabredet worden. In Stoffel von Freiburg hatte der leicht ergraute Hauptmann einen kampferprobten Mitstreiter gefunden. Er war es, der in wenigen Monaten mehr als hundert arbeitslos herumziehende Landsknechte angeworben hatte, deren Sprache sprach, aber auch deren Untugenden nicht abgeneigt war. »In einem Monat, am 8. September, soll’s losgehen. Wie wär’s, wenn du bis dahin den Weinkrug hin und wieder mal stehen lässt?«
Gleich zahlte Stoffel bitter vergnügt zurück. »Und wie wär’s, wenn du mir endlich verrätst, von welchem Geld wir unsere Söldner bezahlen werden? Lange nehmen mir auch die Werber meine Versprechungen nicht mehr ab. Von wegen: Für jeden angeworbenen Bauern gibt’s ’nen dicken Pfennig …« Schon geschlagen hob Joß beide Hände, doch Stoffel wollte auch den letzten Hieb austeilen. »Ja, nur gut, dass keiner zuhört. Denn zähl ich den Lohn für die Feuerteufel dazu, dann brauchen wir mehr als 2000 Gulden.« Selbst erschrocken über die Summe, blies er hörbar den Atem aus. »Beim Leibhaftigen, da kann’s einem schon schwindlig werden. Wir haben es nicht mit armen Bauern zu tun. Denen mag ja die Hoffnung aufs Paradies genügen. Aber all die Gaukler, Bettler und Hausierer, die für uns unterwegs sind, um Leute für den Bundschuh zu gewinnen, die vergessen Vater und Mutter, aber nicht den, der ihnen Geld schuldet, den niemals.«
»Wir zahlen.« Joß schnippte mit den Fingern. »Drüben im Elsass, in Rosheim fangen wir an. Sobald die Stadt in unserer Hand ist, gehört uns auch die Stadtkasse. Und vorbei sind die Geldsorgen.« Er beugte sich nach vorn, strich seinem Rappen die Mähne und tätschelte die Halsseiten. »Wir sind doch nicht aufs Maul gefallen«, sagte er sonderbar sanft. »Weder du noch ich.«
Stoffel lenkte sein Pferd näher. »Wie meinst du das?«
Aus den Augenwinkeln blickte der Hauptmann zu ihm hoch. »Wozu können wir reden? Den einen Monat werden wir sie doch wohl noch mit schönen Worten stillhalten können? Oder?« Schneidend kalt wurde die Stimme. »Und sobald der Sturm losbricht, dann wird nur noch der satt, der mit uns kämpft. Wer sich raushält, wird zertrampelt. Wer gegen uns ist, dem wird der Schädel eingeschlagen. Das gilt für Bettler und Fahrende ebenso wie für die Landsknechte.«
»O verflucht.« Langsam nahm Stoffel das Barett ab. »Soll das heißen … du willst gar nicht zahlen? Ich mein, bis auf die paar Pfennige als erstes Handgeld?«
»Nein, nein. Gezahlt wird schon. Sobald wir unsere Ziele erreicht haben und nur noch Papst und Kaiser unsere Herren sind, wird jeder Fleißige genug haben und die Faulen eben weniger. Um andere, mein Freund, um die müssen wir uns dann keine Gedanken mehr machen.«
Sein Mitstreiter öffnete den Mund, doch der Satz erstarb auf den Lippen. Beide schwiegen. Hinter ihnen brachen Sonnenstrahlen durch den Nebel, und sie geleiteten die Reiter auf hellen Bahnen tiefer hinunter in den Wald. Rechts und links des Weges glitzerten und blinkten die feuchten Blätter. Stoffel, den Zügel lose vor sich auf dem Sattel, behauchte den silbernen Pfeil an seinem Barett und wienerte ihn gründlich mit dem Samtbesatz des weißen Mantels. Endlich hatte er begriffen. »Ein gewagtes Spiel. Da sollten wir aber viel Honig bereithalten,

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