Riemenschneider
Pflicht, ihn, so gut es eben geht, zu begrenzen.« Ab sofort sollten sich die jungen Leute nach Möglichkeit nicht mehr sehen, nicht mehr miteinander sprechen oder sich gar außerhalb des Wolfmannsziechleins treffen.
Magdalena erhob sich und sah die Abrutschstelle hinunter. In halber Höhe las Rupert Steine auf und schichtete sie an den Rand. »Florian kann beim Anlegen des Weinbergs helfen.« Seine Faulheit kam ihr in den Sinn, gleich schob sie den Gedanken beiseite und nahm sich fest vor, den Herrn Sohn zusammen mit Rupert ans Arbeiten zu gewöhnen. »So wäre der Junge den Sommer über nicht mehr im Hof.« Nach einem Atemzug schwächte die Mutter ab. »Vielleicht hin und wieder Mal zum Essen. Aber da werde ich ihn nicht aus den Augen lassen.«
»Und Katharina?« Der Vater benetzte die Unterlippe. »Eine gute Partie kann sie nun wohl nicht mehr sein. Wir sollten ein Angebot aus guten Kreisen gar nicht erst bedenken. So lässt sich ein Skandal leichter vermeiden.« Til ging auf und ab, er merkte nicht, dass Magdalena ihn von Satz zu Satz ungläubiger anschaute. »Gut wäre, wenn ein älterer Mann für Katharina Interesse zeigt, und möglichst sollte er nicht aus Würzburg sein. Ich würde das Mädchen natürlich mit einer ansehnlichen Mitgift ausstatten …«
»Aber, Herr? Wie redet Ihr? Katharina ist Eure Tochter und nicht ein Stück Vieh … Verzeiht. Nach all dem, was mein Sohn angerichtet hat, sollte ich vielleicht besser schweigen.« Magdalena presste die Handknöchel gegen die Lippen, nach einem tiefen Atemzug setzte sie hinzu: »Aber Ihr sprecht von einer geschnitzten Figur wärmer als von dem Mädchen.«
»Ich liebe meine Tochter.« Betroffen versteifte Til den Rücken. »So, wie ich alle meine Kinder liebe. Nach meinen Möglichkeiten. Und ich gebe zu, dass mir neben der großen Werkstatt und den Pflichten im Stadtrat nicht viel Zeit bleibt.« Er nestelte am Hemdkragen. »Mit Söhnen ist es leichter umzugehen.«
Antworte nicht darauf, ermahnte sich Magdalena, nur keinen Streit jetzt. »Was soll denn mit Katharina geschehen?«
»Bis ein Mann gefunden ist?« Er seufzte und schüttelte unmerklich den Kopf. »Ich werde sie meiner Frau anvertrauen müssen. Margarethe wartet bereits darauf, bei ihr wird das Mädchen gewiss gut verwahrt sein.«
»Armes Kind«, flüsterte Magdalena. »Nun schäme ich mich erst recht für meinen Sohn. Was hat er Euch nur angetan?«
Über Nacht war Kälte hereingebrochen. Noch zwei Tage zuvor hatte Magdalena einige Säckchen mit getrocknetem Lavendel zwischen die dicken Wintersachen gelegt und sie in der Truhe bis zum nächsten Winter eingemottet. Heute beim Aufstehen war das Fenster eisblind gewesen, und als sie im wieder hervorgeholten Wollmantel das Apothekerhaus verließ, wuchsen weiße Rauchblumen aus den Schornsteinen. »Und das mitten im Mai«, schimpfte sie vor sich hin und dachte an Els und den Schwager im oberen Tal. »Es blüht doch schon alles. Das Obst. Die Rebstöcke. Hoffentlich überstehen die Pflanzen den Frost. Noch so ein schlechtes Jahr wie das letzte wäre schlimm.« Beim Überqueren der Straße zum Dom begegneten ihr Männer, die in die Hände hauchten und sich die Füße warm stampften.
Kaum hatte Florian die Eisblumen an den Scheiben entdeckt, da wollte er im Bett bleiben; doch von der Mutter war ihm die Decke weggezogen worden, und Rupert hatte zwar bis zur Zahnlücke sein Grinsen gezeigt, bei seinem Griff in den Nacken aber war jeder Protest erlahmt. Seit zwei Wochen musste der Sohn jeden Morgen mit hinaus in den Weinberg. Der Stiefvater teilte ihm gesondert von den Tagelöhnern eine Arbeit zu und kontrollierte am Abend das Geleistete. »Der Junge gibt sich Mühe«, hatte Rupert sehr schonungsvoll auf ihre Frage hin geantwortet. »Manchmal wenigstens.«
Magdalena bog in die Franziskanergasse ein. Von seinen Eltern hat der Junge die Faulheit nicht geerbt, dachte sie. Mein Jakob, Gott hab ihn selig, war ein fleißiger Mann, und ich scheue mich auch vor keiner Arbeit. »Muss wohl an mir liegen. Weil ich ihn als Kind zu sehr verwöhnt habe und …« Sie hielt inne, runzelte die Stirn. Gegenüber vom Eingangstor, auf der anderen Gassenseite, stand Katharina eng an der Mauer, nur mit dem dünnen Hauskittel bekleidet. »Du holst dir den Tod«, begrüßte Magdalena sie.
»Ist mir egal.« In den Augen stand heller Vorwurf. »Warum hast du uns verraten? Nie hätte ich das von dir geglaubt.«
»Das ist nicht wahr …«
»Du willst meine Freundin sein? Belogen hast du
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