Riemenschneider
will ich es haben.«
Ohne die Erlaubnis einzuholen, schenkte Thoma auch für sich und den Schreiber nach. Beide tranken hastig, und als sie die Gefäße absetzten, glänzten ihre Augen. Keine Regennächte mehr im Gebüsch, nicht mehr vor den kaiserlichen Truppen von einem Versteck ins andere flüchten, nicht mehr … Die Aussicht war zu schön, um nicht doch am künftigen Glück zu zweifeln. »Darf ich etwas fragen?«
»Nur zu.«
»Jetzt seid Ihr enttäuscht und müde, aber ich kenne Eure Kraft. Sobald Ihr Euch ausgeruht habt? Was dann? Ziehen wir dann wieder los?«
»Komm näher, Junge.« Götz beugte den Kopf über den Tisch. »Du auch«, befahl er Sinterius. Als die Gesichter nah zusammensteckten, offenbarte er in weintrunkenem Ernst den Dienern seinen Plan: »Ich will meine Dienste dem besten Herrn anbieten. Da staunt ihr, was? Und er soll mir dafür ein Amt geben. Mein Schwager ist schon lange am Hof des Herzogs. Gute Erfahrungen hat er gemacht … viel Geld und viele Wohltaten.« Vergeblich versuchte Götz einen Rülpser zu unterdrücken, ehe er mit grimmigem Stolz die Faust in die Mitte legte. »Und seit Schorndorf weiß Herzog Ulrich, wer ich bin. Wisst ihr noch? Wie die Hammel haben wir die Bauern vom Armen Konrad gejagt und zusammengetrieben. Diese Hilfe vergisst Herzog Ulrich mir nicht.«
Bei der Erinnerung an die Bluttage von Schorndorf hatten Knappe und Sekretär entsetzt die Augen geschlossen, dem Ritter fiel es nicht auf, zu sehr berauschten ihn Wein und der Gedanke an ein ehrenvolles Amt. Seine Lippen mühten sich, die Worte zu formen: »Der gnädige Herr … erfreut wird er sein, wenn er einen wie mich in Diensten hat. Ja, meine Buben, morgen zahl ich den Rest der Kaufsumme. Und wir … wir ziehen in die Burg Hornberg … Und da beginnt das … das neue Leben.«
Thoma fing den Kopf auf, ehe er die Tischplatte erreichte. Allein schafften es die Diener nicht, für einen Extrapfennig packte der Wirt mit an, so schoben und schleppten sie Götz von Berlichingen hinauf in die Stube.
23
B eim letzten Aufbrausen der Orgel zupfte Magdalena am samtenen Halsband, legte die Enden unter dem Kinn busenwärts zusammen, und als die silbrigen Pfeifen nacheinander erstarben, rückte sie unauffällig den breiten Stoffgürtel über den Hüften zurecht. Die Sonntagsmesse war zu Ende. Mit den anderen Frauen ihrer Reihe fügte sie sich am Mittelgang in den Strom der Gläubigen ein, traf Rupert kurz vor dem Ausgang und verließ an seiner Seite die Marienkapelle. Weiße Wolkenballen schmückten das Himmelsblau, leichter Wind ging, ein heller, frischer Tag, jetzt gegen Ende des viel zu heißen Aprils ein wahres Geschenk. Nach einem prüfenden Blick nach rechts und links stieß Magdalena ihrem Mann mit dem Ellbogen leicht in die Seite. »Steht mir das Neue wirklich?«
»Wie soll ich sagen …? Du gefällst mir immer.«
»Schon gut, Lieber. Aber so mein ich das jetzt nicht. Es geht ums Kleid. Ich werde jetzt vor dir hergehen, und du guckst genau, ob es mir auch von hinten steht.« Nach wenigen Schritten ließ sie sich wieder einholen. »Und?«
»Ich weiß nicht, was du erwartest?« »Da soll doch …« Anstelle eines Fluches knuffte ihn Magdalena fester. »Ich will nur wissen, ob es an den Schultern und in der Mitte gut sitzt, ob die Falten gleichmäßig fallen?«
»Das Gelb gefällt mir, und das blaue Schultertuch passt auch dazu.«
»Du bist nicht besser als andere Männer. Für dich könnte ich jeden Tag im gleichen Kittel rumlaufen.« »Würde mir auch gefallen.«
»Darf ich helfen?« Eine Bürgerin hatte dem Gespräch zugehört. »Wirklich ein sehr schönes Kleid. Kragen, Ausschnitt und Saum, nicht zu auffällig … es gefällt mir gut. Aber dein Mann hat schon recht, bei deinem Aussehen, dich würde selbst etwas ganz Schlichtes gut kleiden.«
»Danke.« Magdalena stieg die Röte ins Gesicht. »So viele Komplimente wollte ich gar nicht. Wollte nur, dass er die Augen aufmacht.«
»Störe ich?« Tilman Riemenschneider war hinzugekommen. Höflich grüßte er die Bürgerin; als sie weiterging, wandte er sich an Rupert: »Kannst du deine Magdalena für einen Spaziergang entbehren? Ich weiß, es ist Sonntag, aber ich habe etwas mit ihr zu besprechen. Und da die Herrin heute krank daheim liegt, dachte ich, wir gehen jetzt gleich ein paar Schritte.«
»Herr …?« Rupert rieb die Narbe am Hals, er wagte nicht weiterzusprechen, in seinem Blick aber stand unruhiger Vorwurf.
Gleich beim Erscheinen des Meisters spürte Magdalena das
Weitere Kostenlose Bücher