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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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mich die ganze Zeit. In Wahrheit hältst du zu ihr. Dieser … dieser Maulstinkerin. Und ich werde …«
»Verdammt, hör mir zu!« Entschlossen fasste Magdalena nach beiden Handgelenken und zog die junge Frau nah an sich heran. »Hör jetzt bitte zu! Dein Vater hat es von der Herrin, und die hat es von der Hexe Suppan erfahren. Ihr seid gesehen worden. Nein, schau mich nicht so an. Wenn ihr wie die Tauben in der Stadt rumturtelt, glaubst du etwa, das bemerkt niemand? Schämen solltet ihr euch!«
»Aber wir lieben uns doch.«
»Das darf nicht sein.« Magdalena schüttelte sie leicht. »So wach doch auf! Mein Sohn ist kein Mann für dich. Sein Vater war Leibeigener, und ich bin nur eine Magd. Du hast einen Bräutigam aus besseren Kreisen verdient.«
»So einen will ich gar nicht.«
»Es gehört sich aber für die Tochter eines Stadtrates …« Erschrocken hielt Magdalena inne. Was rede ich hier? Ausgerechnet ich? Sie umarmte die Unglückliche und flüsterte: »Du tust mir so leid … so leid.«
Nach den vielen Tagen angefüllt mit Vorwürfen und Drohungen wärmte die Nähe, und Katharina klammerte sich an Magdalena. »So lange habe ich ihn nicht gesehen. Wird er oft geschlagen? Immer muss ich daran denken. Ich mag Rupert gar nicht mehr ansehen, weil er doch so stark ist, und mein Flori hält das doch nicht aus.«
»Wovon sprichst du?« Magdalena bog den Kopf zurück, dass sie ihr ins Gesicht sehen konnte. »Ich verstehe gar nicht, was du meinst?«
»Aber die Stiefmutter sagt mir doch jeden Tag, wie schlimm dein Mann ihn auspeitscht.«
»Mein gutherziger Rupert? Ausgerechnet er? Und so was glaubst du dieser … dieser …«, Magdalena bezwang sich, » … dieser Frau deines Vaters?«
»Ich erfahre doch sonst gar nichts. Den ganzen Tag muss ich immer in ihrer Nähe sein, ich komm doch gar nicht weg.« Heute früh aber hatte sie es nicht mehr ausgehalten und war, ehe die Stiefmutter herunterkam, davongeschlichen, um hier draußen auf Magdalena zu warten. »Und Flori wird gar nicht mit der Peitsche …?«
»Ganz sicher nicht. Obwohl ihm hin und wieder eine tatkräftige Ermahnung nicht schaden würde. Aber dazu ist Rupert der Falsche und ich, nun ja, ich bin eben seine Mutter.«
Die Pforte des Hoftores wurde aufgerissen. »Katharina!« Frau Margarethe trat nur einen Schritt hinaus. »Zu mir!«, befahl sie Katharina wie einem Hund. Der gestreckte Zeigefinger deutete auf den Platz neben ihren Füßen. »Und zwar sofort!«
Erschrocken fuhr die junge Frau zusammen, löste sich, haspelte noch: »Grüß ihn von mir. Sag, dass ich immer an ihn denke. Bitte!« Dann lief sie über die Gasse und blieb mit gesenktem Kopf vor der strengen Frau stehen. »Du versuchst schon wieder, mich zu hintergehen?«
»Ich bitte um Verzeihung.«
»Das allein wird nicht genügen. Ich habe deinem Vater versprochen, dich zur Vernunft zu bringen. Bisher habe ich es mit Güte versucht, nun aber …« Die Hand zuckte vor, drei-, viermal hintereinander schnappte sie zu. An Busen, Oberarm und Bauch gequetscht, schrie Katharina schmerzhaft auf. Ungerührt beendete die Stiefmutter den Satz: » … nun aber scheinen wir ohne Bestrafung nicht auszukommen. Ins Haus mit dir!« Kaum war das Mädchen durch die Pforte geschlüpft, winkte sie Magdalena zu sich. »Etwas mehr Eile, wenn ich bitten darf.«
»Ich gehe, so schnell es nötig ist, Herrin.« Außer Reichweite der Fingerzange blieb Magdalena stehen. »Meine Arbeit beginnt Glock sieben. Und die Turmuhr hat noch nicht geschlagen.«
»Halt dich von unserer Tochter fern. Dies ist ein Befehl. Du und dein missratener Sohn. Der Meister ist viel zu milde mit euch umgegangen.«
»Erlaubt mir zu schweigen«, sagte Magdalena mühsam beherrscht, versteckte die geballte Faust in den Falten ihres Kleides und neigte kurz den Kopf. »Ich wünsche einen guten Tag, Herrin.« Im Vorbeigehen traf sie der Atem, und Frau Margarethe schickte noch hinterher: »Warte nur, dein Hochmut wird dir bald vergehen.«

24

D ie Nacht verblasste. Nebelschleier zogen über die Höhen des Schwarzwalds und umwaberten hoch über Freiburg den Kopf des Kandel. Noch hatte der Morgen nicht gewonnen, Hell und Dunkel waren noch ohne Unterschied. Hufschlag, von Osten stieg er gemächlich den Wald herauf und näherte sich der Bergkuppe. Ein Windstoß zerteilte den Dunstvorhang. Zwei Reiter. Der auf dem Schimmel war umhüllt von einem weiten weißen Mantel mit schwarzen Blenden, unter dem ausladenden Barett war sein Gesicht nicht zu erkennen. Der auf dem

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