Riemenschneider
bei all den Bärten, die wir schmieren müssen.«
»Keine Sorge.« Jetzt lachte Joß zuversichtlich. »Zweimal bin ich mit dem Bundschuh gescheitert, jetzt, beim dritten Mal, mein Freund, werden wir ihnen einen Bundschuh aufschnüren, wie sie noch keinen gesehen haben.« Niemals zuvor hatte er das Netz so weit ausdehnen können. In mehr als hundert Dörfern, vom Elsass bis hinter dem Schwarzwald, standen Männer des Geheimbundes bereit. Und bis auf die wenigen Hauptleute und den obersten der Werber, Michel von Dinkelsbühl, wusste eine Gruppe noch nichts von der anderen. Sollte eine Masche vor dem Losschlagen durch Verrat zerrissen werden, so war dennoch das ganze Netz nicht gefährdet. »Wir sind bereit. Und das wichtigste Unterpfand trage ich bei mir.« Feierlich legte Joß die Rechte aufs Herz. »Unsere Fahne. Und glaub mir, wer sie voranflattern sieht, der vergisst das Geld, der jubelt und rennt ihr nach.«
»Wenn ich dich so höre … müd bin ich nicht mehr …« Stoffel setzte das Barett wieder auf. »Und wenn ich nicht schon dazugehören würd, du könntest mich schon überreden.«
»Hauptsache, du hältst mir die Landsknechte bei Laune.«
Der Weg wurde flacher, führte an Wiesenhängen entlang. An einer Gabelung nahe Waldkirch zügelten sie die Pferde. Stoffel wollte zu seinem Hauptquartier am Ortsrand. Joß wollte weiter, über Sexau nach Emmendingen. »Will doch meiner Else zeigen, dass es mich noch gibt.«
»Dein Weib hat uns schon gute Dienste geleistet.«
»Tüchtig ist sie.« Joß dehnte die Pause. »Und vertrauen kann ich ihr …« Er hob die rechte Hand, knickte den Daumen und schloss ihn mit den Fingern ein. »Das ist gut so.«
Auch Stoffel ballte die Faust über dem Daumen und gab den Geheimgruß zurück. »Das ist gut so.« Ein Zungenschnalzer, ein leichter Schlag mit dem Zügel, und der Schimmel trabte an. Im Wind bauschte sich der Mantel, das Sonnenlicht umflutete Pferd und Reiter mit blendendem Weiß und entflammte den silbernen Pfeil am Barett.
Der Rappe sprengte den anderen Weg hinunter in Richtung Sexau. Schwarz das Wams, in grellem Rot die Hosen, und durch die langen Schlitze leuchteten Grün und Gelb. Als die Weingärten in Sicht kamen, zog Joß Fritz den Federhut tiefer in die Stirn. Nirgendwo war für ihn die Gefahr, erkannt zu werden, größer als in der Umgebung von Freiburg. Das bunte Kleid der Landsknechte weckte keine Neugierde, es gehörte auf den Straßen und in den Ortschaften zum Alltag, nur das Gesicht konnte ihn verraten. Und so verbarg er es im Schatten des breiten Hutes.
Im Gasthaus Rebstock nahe der Kirche gab es kaum noch einen freien Platz. Stickig war es. Geruch nach Stall und Schweiß erfüllte die Luft. Gelächter, Palaver, eine Stimme versuchte die andere zu übertönen. Zum Rossmarkt waren viele Bauern nach Emmendingen gekommen, und jetzt gegen Mittag waren ihre Kehlen vom Handeln, Feilschen und Anpreisen ausgetrocknet.
Mit umgebundener Schürze stand der Wirt neben dem Weinfass. »So gefällt mir das«, murmelte er kurzatmig, und von Krug zu Krug, den er zapfte, wurde sein Lächeln breiter.
Else erschien in der geöffneten Tür. Sie trug ein schlichtes graues Leinenkleid, eng in der Mitte, weit der Ausschnitt, und weil es ein heißer Augusttag war, hatte sie auf das Brusttuch verzichtet. Suchend blickte sie über die Köpfe der Gäste und betrat nach einer Weile unsicher den Schankraum. Die Bauern am ersten Tisch stießen sich an, feixten.
Else kümmerte sich nicht darum, dicht ging sie an den Männern vorbei, streifte mit der Hüfte einen Ellbogen und hörte nicht auf die anzüglichen Bemerkungen. Tiefer im Raum nutzten Hände die Enge, doch auch das Betasten der Pobacken entlockte ihr keine Empörung. Vor dem Tisch neben der Hintertür drehte sie sich um, schüttelte verzagt den Kopf.
»Aber was hat sie denn nur?«, fragte einer der drei Männer mit weinseliger Stimme.
»Entschuldigt.« Else beugte sich weit vor, die größer werdenden Augen schien sie nicht zu bemerken. »Ich suche den Vater, den Jakob. Von Buchholz sind wir.«
»Und ich bin von Breisach.« Der Mann griff nach ihrem Arm. Nur einen Schritt ließ sich Else näherziehen. »Weil der Vater doch alt ist und so viel vergisst.«
»Ich bin der Wagner Johannes. Kannst aber Hannes zu mir sagen.« Sanft streifte sie seine Finger ab. »Du bist freundlich, Hannes.« Sie prüfte die Nadeln im hochgesteckten Haar und richtete ihren Ausschnitt, zog und zupfte, doch als sie die Hände sinken ließ, wölbten sich
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