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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Die Richterstimme klang sanfter, und gleich klammerte sich Hannes an den Strohhalm. »Was denn? Sag es?«
»Erst schwöre bei allen Heiligen, dass du über alles, was hier geschehen ist, und auch über alles, was du nun erfährst, Stillschweigen bewahrst!«
Und Hannes wollte alles geloben, ganz gleich, was es auch war. Voller Inbrunst leistete er den Schwur. Er hörte vom Bundschuh und erschrak nicht einmal. Drei Namen aus Breisach erfuhr er und wunderte sich nicht, dass es gute Nachbarn waren, die sich mit ihrem Eid längst schon dem Geheimbund verpflichtet hatten.
»So gelobe auch du …«
Satz für Satz sprach Hannes die Formel gehorsam nach und wischte sich zum Schluss die Tränen aus den Augen. » … Ja, mit Leib und Seel.« Nur unmerklich wagte er den Kopf zu wenden und bat erschöpft: »Darf ich jetzt nach Hause?«
»Von nun an bist du nicht mehr allein, Freund. Du gehörst zu uns, wir helfen dir, wenn du in Gefahr bist. Und wir finden dich, wenn du zum Verräter wirst.«
Die gestreckte Hand erschien im Strahlenkegel, der Daumen knickte nach innen, und die Finger schlossen ihn ein. »Warte, bis einer dir diese Faust zeigt und sagt: ›So ist es gut.‹ Der bringt den Befehl zum Losschlagen. Und jetzt geh nach Breisach.«
Der Wagner erhob sich von den Knien, nur notdürftig zog er die Hosen hoch und stolperte davon. Kaum hatte sich das Scheunentor hinter ihm geschlossen, trat der beleibte Gaukler ins Helle. Seine speckigen Wangen glänzten. »So einen Spaß hatte ich lange nicht mehr.« Er nahm die Kappe vom nackten Schädel und wischte sich damit den Nacken. »Aber gut war ich …«
»Michel, du fettes Schwein!« Else stand vor ihm und stemmte die Hände in die Hüften. »Lässt den Kerl erst über mich herfallen! Ich hab laut genug ›Mein Kleid‹ gerufen. Da hättest du ihn dir schon schnappen müssen. Aber du? Du wolltest … wolltest wohl zugucken?« In den Zorn mischte sich Unglück. »Ich … ach, verflucht, ich habe es so satt. Immer muss ich diese stinkenden Kerle für dich herlocken.«
»Für uns …« Michel von Dinkelsbühl hob den Finger. »Für unsern Kampf. Heute hast du den zwanzigsten Bauern für den Bundschuh geworben. Dein Mann wird stolz auf dich sein.«
»Und dir wird er den fetten Wanst aufschlitzen. Wenn mein Joß erfährt, dass du mit Absicht die Kerle so lange an mir rumtatschen lässt, dann bist du deinen feinen Posten los.« Sie schlug die Faust in die geöffnete Linke. »Und nur wenn du großes Glück hast, kannst du wieder auf dem Jahrmarkt die Leute betrügen.«
Der Gaukler wollte ihr besänftigend die Hand auf die Schulter legen, doch Else schlug sie beiseite. »Fass mich nicht an! Und wenn du willst, dass ich weitermache, dann sag mir, warum du nicht früher eingegriffen hast?«
Michel wandte hilfesuchend den Kopf.
Und aus dem Dunkel drang leises Lachen: »Weil ich es so wollte.« Beim Klang der Stimme fuhr Else zusammen; während sie noch ungläubig den Kopf schüttelte, trat er in die Lichtbahn. »Liebster.« Sie schluckte, benötigte Zeit, um zu begreifen. »Du bist hier?«
Joß nahm den Federhut ab und verbeugte sich galant. »Meine schönste Dame. Verzeih, die kleine Prüfung. Nun weiß ich, wie treu mein Weib mir ist, auch wenn ich in der Ferne weile.«
»Du bist auch nicht besser …« Mit geballten Fäusten ging sie auf ihn zu und wollte doch nur gehalten werden. Als er die Arme um sie schloss, sog Else tief seinen Geruch in sich auf. »So lange hab ich dich nicht gesehen. Viel zu lange.«
Hinter ihrem Rücken gab Joß seinem obersten Werber und engen Vertrauten den Wink zu verschwinden. »Lass uns nicht reden«, bat er. »Gleich muss ich schon wieder weiter.« Er zog Else aus dem Licht. Im Heu seufzte sie und wollte nichts fragen. Später versprach er: »Nicht mehr lange, und diese schlechte Zeit hier in Emmendingen hört auf. Dann wirst du nur noch schöne Kleider tragen und wirst stolz neben mir durch Freiburg spazieren.«
Nicht weit von der Hauptstadt des Breisgaus neigte sich in der Kirche von Merzhausen die Beichtstunde fast dem Ende zu. Seit zehn Minuten hatte auch das letzte der reuigen Christenkinder nach Abbeten seiner auferlegten Buße den geweihten Raum verlassen. Herrschte draußen auch sengende Augustsonne, so labte hier im Innern kühle Stille, und in der Enge des hölzernen Gehäuses saß Pfarrer Rupertus, der Kopf war ihm auf die Brust gesunken, leise schnarchte er vor sich hin.
Das Knarren der Kniebank weckte den Hirten. Mit der Zunge schmeckte er die

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