Riemenschneider
mal aufhört. Dann flieht ihr. Die Kirchen werden sicher nicht beschossen. Dahin!«
Magdalena nickte. »Besser, wir versuchen zum Katzenwicker rüberzukommen. An der hinteren Mauer, da verstecken wir uns. Sein eigenes Haus wird der Bischof nicht zerstören wollen.« Gefährlich dicht heulten die Kugeln über das Dach hinweg. Keine Zeit mehr für Verabredungen. Sie lief mit den Frauen in Richtung Kellertreppe.
»Wir schlagen uns zur Brücke durch.« Jörg hatte sich wieder gefasst. »Auf den Flößen sind wir geschützt. Die können sie von oben nicht treffen.« Rupert hatte mit den Gesellen die Lederkoller und Helme ins Haus gebracht. Wortlos kleideten sich die Männer an; bei jedem Krachen in der Nähe fuhren sie zusammen. Til war gerüstet, selbst den Helm hatte er aufgesetzt. »Geht ihr vor. Ich komme gleich nach.«
»Du bleibst, Vater. Steig zu den Frauen runter in den Keller.« Hans fasste seinen Arm. »So schnell kannst du nicht mehr laufen. Bitte, hör auf mich!«
Mit ruhigem Griff befreite sich Til. »Danke, Junge, dass du dich sorgst. Also gut, dann werde ich versuchen, die Frauen zum Katzenwicker zu führen. Erst aber muss ich in die Werkstatt und sehen, wie ich mein Relief besser sichern kann.«
»Aber, Vater, das ist jetzt nicht wichtig. Du musst dich retten.«
»Genug jetzt.« Til blickte in die Gesichter. »Ich möchte euch alle wiedersehen, hört ihr, keinen möchte ich missen. Gott behüte euch. Und nun geht!«
Die Söhne, Rupert und auch die Gesellen huschten hinaus. Allein Tobias blieb an der Tür stehen.
»Was ist mit dir?«
»Ich bleibe. So lange schon bin ich bei Euch, deshalb.«
Nur ein kurzes Zucken in den Mundwinkeln. »Dann komm mit in die Werkstatt!«
Trümmer lagen auf der Straße vom Dom zur Brücke. Oben aus den Scharten der Wehrtürme blitzte Mündungsfeuer, das Knallen folgte, und der Kugelchor sang heulend das Lied zum Sonntag Cantate, ehe er Verwüstung und Tod in die Stadtviertel brachte. Eng an den Hauswänden entlang schafften es die Männer vom Wolfmannsziechlein bis zur Floßbrücke. Keine Absperrung mehr. Dort kauerten Bürger dicht an dicht, hielten sich die Ohren zu oder verbargen die Köpfe unter den Armen, viele weinten. Rupert fand gleich auf dem ersten Floß noch einen sicheren Platz, die Söhne des Bildschnitzers mussten sich mit den Gesellen fast bis zum anderen Ufer durchzwängen.
Nach einer Stunde schwiegen die Kanonen. Auch auf dem Niklasberg und neben dem Deutschhaus wurde das Feuer eingestellt. Unter der Steinbrücke wagten die Menschen aufzublicken.
»Wehrt euch!« Hans Bermeter stand am Steg und schwenkte seinen Federhut. »Ich bin beauftragt, starke Männer zu holen. Die da oben töten unsere Frauen und Kinder. Wir müssen uns endlich wehren. Wozu haben wir gute Feldschlangen in Stellung? Nur schnell. Der Geschützmeister braucht noch Leute, die ihm helfen. Wer hat Mut? Wer rettet unsere Stadt?«
Die Männer neben Rupert überlegten nicht lange, sie stießen ihn an. »Du auch. Los, komm!« Und er ließ sich mitziehen.
Ehe sie die Stellung neben dem Pleidenturm erreichten, setzte vom Marienberg wieder der Beschuss ein. Bermeter lief gebückt voran, schickte die Helfer zu den vier Feldschlangen. »Der Geschützmeister wird euch einteilen.« Gleich zog er sich hinter den Turm zurück. Dort im sicheren Schatten streckte er einem Ratsherren die Hand hin. »Ich hab genug Männer gebracht. Schlag ein, Freund. Wir sind auf der gleichen Seite. Die anderen Herren von Rat zögern, sind zu feige. Aber du nicht. Und wenn das Schloss unten ist, dann hast du deinen Teil daran. Und ich werde es bezeugen. Also gibt den Befehl!«
Die Augen leuchteten vor Übereifer, der junge Ratsherr schlug ein und schritt zum Meister Hans Woltz. »Im Namen des Stadtrates: Zünd an und schieß! Zeig’s denen da oben und hör nicht auf, solange noch Kugeln und Pulver da sind.«
Und die Geschütze donnerten, schossen fünfzehn Pfund schwere Eisenungeheuer hinauf zum Schloss. Trotz aller Schwüre, sich zu enthalten, und gegen den Willen der meisten Ratsherren hatte die Stadt begonnen, bei der Eroberung des Frauenberges mit einzugreifen. Bald richteten die Verteidiger auch einige Rohre auf die Stellung nahe dem Pleidenturm, wehrten sich nun gegen dreifachen Beschuss. Ihr Hauptziel aber blieb die Stadt.
Gegen Mittag zogen vom Lager bei Höchberg auch die Horden des Hellen Haufens in Richtung Würzburg. Sie hatten nicht länger auf einen Befehl ihres Feldhauptmannes Götz von Berlichingen warten
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