Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
Vom Netzwerk:
mein Freund. Schlag nur im Römerbrief nach.« Jetzt erst bemerkte Martin die Druckerschwärze auf seiner Fingerkuppe und bat um einen Lappen: »Ehe sie antrocknet.«
»So leicht wird’s nicht gehen mit dem Abwischen.« Der Meister wiegte den Kopf. »Solche Schwärze bleibt lang an einem haften.«
Nur das Schlimmste hatte verhindert werden können: Keine Plünderung der Stadt, und die Weinberge ringsum sollten nicht verwüstet werden. »Außerdem wird kein Bürger verpflichtet, bei der Erstürmung des Schlosses zu helfen.« Für diese Zugeständnisse hatten Bürgermeister und Rat den Hauptleuten die Tore geöffnet und Proviant und Getreide, vor allem Wein, viel Wein, in beide Zeltlager geliefert. Bis auf die Stube des Stadtschreibers unterm Dach mussten im Grafeneckart die Herren ihre Stühle räumen, durften dafür im Saal des Domkapitels weiter Sitzungen abhalten und hatten Rathaus samt Schankstube dem Feldhauptmann Ritter Götz von Berlichingen als Hauptquartier überlassen.
»Sorgt mir ja für ein weiches Bett«, befahl er Thoma und Sinterius. »Dieses verdammte Reiten. Mein Arsch ist wieder elend sattelwund.«
Einen Steinwurf entfernt bezog Florian Geyer mit den Unterführern das Gasthaus im hinteren Gressenhof. War der schlanke Junker anwesend, so ließ er einen Morgenstern zum Erkerfenster hinaushängen. »Die Leute sollen sehen, dass wir hier nicht zum Spaß sind.«
Trommeln und Pfeifen … Kein Gesang mehr, der Duft nach Weihrauch verflüchtigt sich … Til schreitet in der Prozession. Mit drei anderen Ratsherren stützt er den Himmel, unter dem der Priester das Allerheiligste trägt … Das Trommeln und Pfeifen kommt näher, will nicht aufhören … Sein Arm erlahmt, kann die Last nicht länger tragen, der Baldachin schwankt, sinkt nieder … Stoff nimmt den Atem … er droht zu ersticken. Verzweifelt versucht Til sich zu befreien …
Dann war er wach, auf der Brust hielt er das Kopfkissen in den Fäusten. »Ein Traum«, brummte er und drehte sich auf die Seite. Doch das Trommeln und Pfeifen verstummte nicht. Cantate, dachte er, heute ist Sonntag Cantate. Aber für den Kirchgang war es viel zu früh? Und dieses Lärmen klang bei Gott nicht nach Glocken und fröhlichem Singen? So rasch es der Rücken erlaubte, erhob er sich. Über den Dächern graute ein milder Maimorgen, doch kein Dehnen und tiefes Einatmen am Fenster; aus Südosten, von Heidingsfeld her, näherte sich das helle Schlagen. Die durchdringenden Pfiffe und ihr Rhythmus trieben Til einen Schauer über den Rücken. Während er hastig die Schlafstube verließ, warf er sich den Hausmantel über.
Ein Stockwerk höher pochte er an die Tür des Nähzimmers. Gleich öffnete ihm Rupert: »Meister?«
»Es geht los.«
»Dacht es schon. Als ich sie das erste Mal gehört hab, hat’s gerade drei vom Turm geschlagen.«
Seit die Bauernheere vor Würzburg lagerten und Straßen und Gassen innerhalb der Stadt bei Tag, vor allem aber während der Nacht, nicht mehr sicher waren, wohnten Rupert und seine Frau mit im Wolfmannsziechlein.
Schon angekleidet kam Magdalena hinzu. »Welche sind es?«
»Ich meine, die vom Schwarzen Haufen, die aus dem Lager bei Heidingsfeld.« Til schüttelte den Kopf. »Bis vorgestern hatte ich noch auf eine friedliche Lösung gehofft. Aber als uns vom obersten Bauernrat mitgeteilt wurde, dass die letzten Verhandlungen zwischen den Haufen und der Schlossbesatzung ohne Ergebnis abgebrochen wären, da habe ich die Hoffnung aufgegeben.«
Rupert sollte die beiden Söhne und die noch verbliebenen Gesellen wecken. »Ich möchte, dass Waffen und Röcke im Hof bereitliegen.« Magdalena bat er, in die Kammer der Mägde zu gehen. »Versuch gleich, sie zu beruhigen. Dies ist nur eine Vorsichtsmaßnahme.« Jede hatte sich anzukleiden und der gewohnten Arbeit nachzugehen. »Wir sehen uns dann gleich unten beim Frühmahl.«
In der großen Stube lastete Anspannung: kein lautes Absetzen der Breischalen, schon das Knarren eines Stuhls verursachte Stirnrunzeln. Jeder horchte zu den geöffneten Fenstern hin. Nur Tobias und drei Gesellen saßen noch mit am Tisch, die anderen zehn hatten es vorgezogen, Würzburg zu verlassen, sie wollten wieder auf Wanderschaft und sich irgendwo im Norden bei einem Meister verdingen, in einer Gegend, wo weder Aufruhr noch Tod regierten, vielleicht in Köln oder Aachen …
Das Trommeln und Pfeifen war verstummt. Die neue Stille quälte. Da draußen stirbt der Frieden, dachte Magdalena und hatte ein weißes Fabeltier vor

Weitere Kostenlose Bücher