Riemenschneider
starrte auf ihren Leib. »Doch ein Kind?« Die Miene veränderte sich, wurde weich, heller; heftig kratzte er den Bart unterm Kinn. »Und ich dachte schon …«
»Ich will das Kind, deine Mutter auch, und Lisbeth freut sich schon drauf.« Katharina suchte seine Hand und hielt sie fest. »Und du? So laut schreit es bestimmt nicht. Dafür sorg ich schon.«
»Ich hab ja nichts dagegen. Soll es nur schreien …«
Ein einziger heller Ton näherte sich durch den Flur, schmerzte in den Ohren. Mit dem Fuß trat Bermeter die Tür ganz auf, dann erst setzte er die Flöte ab. »Auf, Kleiner! Wir müssen los, müssen weit weg sein, ehe jemand auf die Idee kommt, nach uns zu suchen.«
Florian erhob sich. Entsetzt hielt sie ihn am Rock fest. »Geh nicht. Nein, Liebster. Bitte, lass mich nicht wieder allein!«
»Es muss sein.« Heftig schluckte er, streichelte ihre Hand, ehe er die Finger öffnete. »Weil … alles ist anders gekommen da unten in Würzburg. Jetzt kann es gefährlich für uns werden. Deshalb ist es besser, wenn wir nach …«
»Schluss! Du redest dich um deinen Kopf.« Bermeter riss ihn zu sich. »Raus mit dir. Ich habe die Gäule schon gesattelt.« In jähem Aufwallen hob Florian die Faust gegen seinen Herrn, erlahmte gleich wieder; ein entschuldigender, beinah unglücklicher Blick für Katharina, und er gehorchte.
Kaum hatte er die Kammer verlassen, holte Bermeter eine Handvoll Gulden aus der Tasche und warf sie aufs Bett. »Wenn du ihn lebend wiedersehen möchtest, dann hältst du den Mund. Sollte jemand nach uns suchen, dann weißt du gar nichts.«
Katharina strömten die Tränen. Sie sah ihn durch den Schleier ihres Unglücks, und Satz für Satz musste sie die Stufen tiefer hinuntersteigen.
»Das Geld reicht, um dich und dein Balg zu füttern. Irgendwann kommen wir zurück.« An der Tür wandte er sich um und warf noch einige Goldstücke dazu. »Die bringst du meiner Lisbeth. Sag ihr, sie soll unten im Keller hinter dem Pergamentstapel nachsehen. Da findet sie genug.« Scharf bellte er: »Hast du mich verstanden?«
»Hinter dem Pergament«, schluchzte Katharina. »Da ist genug.«
»Na also.«
Der Truchsess ließ marschieren. Mit den Truppen des Pfalzgrafen und des Erzbischofs von Trier war sein eisenstarrendes Heer zu einem alles fressenden Ungeheuer angewachsen, und unaufhaltsam verschlang es Mensch und Vieh, zertrampelte Häuser und Scheunen. »Auf nach Öhringen! Dann weiter nach Krautheim! Dann weiter … und weiter …« Erst in Würzburg wollte der Schlachtherr rasten.
29. Mai, Exaudi, der 6. Sonntag nach Ostern
Kein Trommelschlag gab mehr das Tempo vor. Die Bauern liefen, jedes Fähnlein versuchte, so rasch es möglich war, den Abstand zum bündischen Heer zu vergrößern. »Wir sammeln uns wieder in Krautheim.«
Vor den holpernden Geschützwagen dampften die Pferde, und ohne Rücksicht schwangen die Fuhrleute ihre Peitschen. Weiter, nur schnell weiter.
Feldhauptmann Götz wandte sich halb im Sattel um, winkte seinen Knappen näher. Als Thoma auf gleicher Höhe war, streckte ihm Götz die Eisenhand hin. »Sind noch alle Finger dran?«
»Habt Ihr verlernt zu zählen, Herr?«
»Wag es …«, drohte Götz ungewöhnlich laut, dabei sah er aus dem Augenwinkel zu den Reitern auf seiner anderen Seite. »Verflucht. Ich sollte dich in den Boden stampfen!«
Der oberste Befehlshaber Georg Metzler schüttelte mit hochgezogenen Brauen den Kopf, gab den Unterführern ein Zeichen, und gemeinsam ritten sie etwas schneller, niemand hatte das Bedürfnis, sich zum hundertsten Mal die unflätigen Beschimpfungen des Ritters gegen seinen Knappen anzuhören.
Götz fluchte weiter, ließ Thoma nicht zu Wort kommen, doch kaum waren die Führer außer Hörweite, brach er ab und schnaufte grimmig zufrieden vor sich hin.
»Herr, was ist in Euch gefahren? Plagen wieder die Goldadern an Eurem Hintern? Solch eine Beschimpfung habe ich nicht verdient.«
»Halt’s Maul! Ich wollte ohne fremde Ohren mit dir reden.« Während Götz sprach, hob er zur Täuschung möglicher Beobachter immer wieder drohend die Eisenhand. »Also, Schlaukopf, rechne für mich. Wann hab ich das Amt des Feldhauptmanns übernommen?«
Ohne lange zu überlegen, sagte Thoma: »Heute sind es genau vier Wochen her. Das weiß ich, weil ich Tag für Tag mitgezählt und innig drum gebetet habe, dass wir es heil überstehen.«
»Und zu welcher Zeit hab ich den Schwur geleistet?«
»Morgens. Gleich nachdem wir im Bauernlager angekommen sind.«
Zufriedenes Knurren, dann ein
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