Riemenschneider
Apothekers. »Ich hatte eine Verhandlung mit dem Stadtrat. Als ich das Gewandhaus unten im Grafeneckart sah, fiel mir ein, dass sie gerade jetzt bequeme Kleidung nötig hat.« Ihre Herrin sollte glauben, das Geschenk wäre nur eine zufällige Nebensache, die Laune des Gönners. Magdalena aber las in seinen Augen und wusste es besser. Dabei vergaß sie die Zurückhaltung und lachte ihn an. »Wenn Ihr mir jetzt auch noch einen Rat gebt, wie mein Kind heißen soll, dann brauch ich heute vor lauter Glück nichts mehr zu essen.«
Gleich schaltete sich Frau Adelheid ein: »Genug jetzt. Du solltest die Geduld unseres ehrenwerten Gastes nicht strapazieren.«
»Nein, schon gut.« Schalk nistete in den Augenwinkeln. »Auch wenn ich nicht der Vater bin, so möchte ich gern die Vorschläge hören.«
Die werdende Mutter hatte ihm alle Namen aufgezählt, und ohne lange nachzudenken, waren von ihm Katharina und Florian als die schönsten genannt worden.
»Und dabei bleibt’s«, sagte Magdalena. Sie hatte die belebteren Straßen erreicht, grüßte Bekannte ihrer Herrschaft und musste hin und wieder einem Fuhrwerk ausweichen. Nahe dem Dom erfasste sie der Kathedralenwind, drückte ihr das Kittelkleid fest an den Leib, zerrte am Kopftuch. »Immer das Gleiche«, schimpfte sie und tastete nach dem Sitz der Brustschlaufen und Steckkämme. »Möchte nur wissen, warum es um die Kirchen immer so pfeift? Selbst bei so schönem, stillem Wetter wie heute.«
Erst die Gewürze. Groß war der Andrang zu den Buden am Fuße der Domstufen. Jemand zerrte von hinten am Rückenteil ihres Kleides, drei schnelle, harte Rucke, Magdalena wandte empört den Kopf, nichts, nur Gewühle. Sicher ein Versehen, beruhigte sie sich.
Schaulustige und Käufer belagerten vor allem die Tische der Wachs- und Honigkrämer. Kerzen und Naschwerk gehörten zu den begehrtesten Waren, ein Licht fürs Seelenheil und ein Kitzel für den Gaumen, so liebten es die Würzburger. Es dauerte, bis Magdalena den richtigen Gewürzstand gefunden hatte. »Nicht so drücken«, bat sie und versuchte, so gut es ging, ihren Bauch zu schützen. Ingwer, Kerbel und Thymian, dazu einige getrocknete Lorbeerblätter.
Der Rückzug aus dem Gedränge gelang, und aufatmend ging sie hinüber zum Judenplatz. So früh im Jahr war es hier auf dem Gemüsemarkt noch leer. An vereinzelten Tischen boten Bauersfrauen die letzten über den Winter gelagerten Äpfel und Nüsse an, andere versuchten Magdalena zu überreden, vom Sauerkraut zu kosten.
»Danke. Aber aufgebläht bin ich schon genug.« Die Weiber stutzten, bemerkten den Grund und lachten verständnisvoll. Magdalena deutete auf die frische Petersilie. »Davon nehme ich zwei Bund.«
»Das nutzt dir nichts mehr, Kleine.« Die alte Bäuerin feixte zahnlos und zahlte ihr den Scherz zurück. »Los wirst du den Bankert nicht mehr, der sitzt schon viel zu fest.« Gleich nahm sie sich zurück. »War nur ein Spaß. Nichts für ungut.« Und gab noch ein Bund kostenlos dazu.
Magdalena sah zum Südportal der Marienkapelle hinüber, nur ein Blick aus der Ferne für die Eva, mehr nicht, und sie wollte sich, wie bisher bei jedem Besuch des Gemüsemarktes, gleich wieder durch die Schustergasse entfernen. Heute aber zögerte sie. »Würd ja gern mal gucken, wie ich aussehe.« Die Neugier erfand gute Gründe. »Solange ich so dick bin, erkennt mich keiner. Ist sicher viel gefährlicher, wenn das Kind da ist.«
In einem weiten Bogen näherte sie sich dem Portal, gegen die rotbraune Fassade verlockten die hellen Figuren das Auge, und Magdalena wagte sogar stehen zu bleiben. Sie krauste die Stirn. »Auf der Zeichnung war aber keine Schlange an meinem rechten Bein.« Nach einigem Grübeln fand sie die Erklärung. »Meister Til hat sich geärgert, weil ich nicht wiedergekommen bin. Deshalb hat er mir dieses Biest gegeben. Na ja, richtig wütend scheint er nicht gewesen zu sein, dafür ist die Schlange zu klein.« Magdalena lehnte sich mit der rechten Seite eng an die Kirchenmauer und hob das Gesicht, um den runden Po genauer zu betrachten.
»Ist dir nicht wohl?«
Ertappt wich sie zwei Schritte von der Wand zurück. Eine Dame war aus der Marienkapelle getreten und sah besorgt auf die Schwangere. »Du solltest dich setzen.«
Röte stieg Magdalena in die Wangen. »Danke, sehr freundlich. Aber mir fehlt nichts.« Damit eilte sie, so rasch es ihr möglich war, davon. Erst bei den Bäckern im Schatten des Karmeliterklosters schüttelte sie über sich selbst den Kopf. »Dumme Gans.
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