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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Was rennst du weg? Meister Til hat Wort gehalten. Die Eva hat nicht dein Gesicht.«
Auf dem Weg zum Fischmarkt spürte sie mit einem Mal ihren Nacken, keine Berührung, und doch war es wie ein Druck. Magdalena drehte sich um, nichts, nur das Markttreiben. »Wird ja immer besser mit dir. Warte ab. Gleich sitzt dir ein Spuk auf der Schulter.«
Ein strenger Geruch lag über dem Platz. Fisch stinkt nach Juchten oder warmem Urin, dachte sie und schüttelte sich. Auf langen Brettertischen reihten sich Holzbottiche aneinander. Das Wasser schwappte, kräuselte, Schwanzflossen schlugen, schillernde Schuppenleiber wölbten sich heraus und glitten zurück. Magdalena wollte nicht näher hinsehen. Laut priesen die Fischfrauen die unruhige lebendige Beute aus dem Main an: Aal, Schleie und Barbe, Rotaugen und Karpfen …
Mit jedem Atemzug wuchs Übelkeit in ihr. Da entdeckte sie auch noch einen kleinen zu Brei zertretenen Fisch auf dem Pflaster und musste heftig schlucken. Von hier fort möchte ich, dachte sie nur noch und reichte der Verkäuferin den kupfernen Tragekessel hin. »Eine Schleie.« Das Sprechen kostete Kraft. »Nein zwei, bitte. Bitte zwei.«
»Aber gern. Und nicht zu lange kochen lassen, dann bleibt uns das Fleisch schön fest.« Geübt gab die Frau etwas Wasser in den Kessel, und während sie mit dem Käscher schwungvoll eine Schleie aus dem Bottich hob und ins Gefäß gab, erkundigte sie sich freundlich. »Wann sind wir mit dem Kleinen denn so weit?«
»Bald«, murmelte Magdalena, sie schmeckte den Geruch auf der Zunge. »Was muss ich zahlen?«
Da schnellte von hinten ein Arm dicht an ihrer Seite vorbei, tauchte in den Nebenbottich und fuhr wieder heraus. Die Hand umschloss einen zappelnden Aal direkt hinter den Kiemen. »Du solltest besser diesen Freund kaufen.« Ein schlanker Mann, eine biegsame Gestalt. Das Lachen! Magdalena kannte die großen Augen, scharfe Punkte im blassen Blau, der Blick schnitt ihr den Bauch auf. Jetzt wusste sie, wer er war, Hans Bermeter. »Geh weg von mir«, stammelte sie.
»Aber, aber. Willst du meinen guten Rat nicht hören?« Der Spielmann ließ die Zunge schnalzen. »Bei den Gewürzständen war ich mir noch nicht ganz sicher, doch auf dem Judenplatz fiel es mir wieder ein.« Schnell sah er nach der Fischfrau. »Wir sind alte Bekannte. Vielleicht kauft sie den Aal zusätzlich.« Und feixend flüsterte er Magdalena zu. »Bist doch, was ich damals gleich dachte. Kein Modell. Nein, nein, du weißt schon.« Er hob ihr den Schlangenfisch vors Gesicht.
Magdalena bog den Kopf zurück. »Nein, nicht.«
Er folgte mit dem Fisch, bedrängte sie. »So ein beweglicher Schwanz bringt doch Freude? Oder?« Gleich senkte er den Arm und ließ den Aal im Stoff vor ihrem Bauch zappeln. »Na, wer hat dir das Brot in den Ofen geschoben? Soll ich raten?«
Magdalena schrie erstickt auf; das feixende Gesicht wurde größer, verschwamm; jäh setzte Stechen im Unterleib ein, nahm ihr den Atem; mit der freien Hand erreichte sie noch die Kante des Verkaufstisches, dann versagten die Knie. Mein Kind, dachte sie, nicht hinfallen, nur nicht fallen. Sie rutschte zu Boden und sank mit der Seite halb über den Korb.
Von ferne hörte sie die Verkäuferin fluchen, sah auch, wie der Käscher immer wieder auf den lachenden Bermeter eindrosch. Andere Kunden wurden aufmerksam und wollten wissen, was vorgefallen war. »Das Schwein hat die Schwangere belästigt.«
Ehe die Empörung sich entladen konnte, rief der Spielmann: »Friede, Leute! War nur ein kleiner Spaß! Seht ihr?« Er warf den Aal über den Köpfen hoch in die Luft. Alle Augen folgten, einige Hände reckten sich nach dem herabfallenden Leckerbissen, derweil nutzte Bermeter die Ablenkung und war in der Menge verschwunden.
Die Fischfrau half Magdalena wieder auf. »So ein Kerl.« Mit einem nassen Lappen wischte sie ihr den Schmutz vom Kittelkleid und hob den Korb auf. »Geht es mit uns wieder? Ich mein, schaffen wir es allein nach Haus?«
»Ich denke schon. Das Stechen hat aufgehört.«
»Wie oft kommen die Wehen?«
»Bis jetzt noch gar nicht. Ich mein, ich weiß es nicht.«
»Ach, ist das etwa unser Erstes?«
Nur ein erschöpftes Nicken. Da streichelte die Frau ihre Wange. »Wird ein schönes Kind, sollst sehen.«
Der Fischgeruch blieb auf der Haut, und Magdalena mühte sich, den Ekel nicht zu zeigen. »Danke. Was … was bin ich schuldig?«
Sie zahlte, nahm den Kupferkessel und ging langsam, unsicher in Richtung Dom zurück.
Vom Firstbalken in der Dachkammerhing

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