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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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blickte zwischen den düsteren Hauswänden hinauf zum blauen Himmelsspalt. »Geht es los?« Als Antwort ebbte die leichte Welle wieder ab. Sie strich eine Strähne aus der Stirn zurück unters Kopftuch. »Verflixt. Wenn ich nur mehr wüsste.«
Vor zwei Wochen schon hatte Frau Adelheid gemeinsam mit ihr begonnen, die Dachkammer für eine Geburt herzurichten. Am Vortag war die Hebamme ins Apothekerhaus gekommen, eine resolute Person, und hatte umsichtig Schüsseln, Tücher und Kissen begutachtet. Danach ordnete sie an, dass außerdem noch zwei Stricke oder starke Leinenbänder besorgt werden müssten, ein Stuhl mit kräftiger Rückenlehne sollte bereitstehen, und sie erkundigte sich: »Wo nehmen wir heißes Wasser her?«
Ohne zu überlegen, sagte Magdalena hilfsbereit: »Das hole ich aus der Küche hoch.«
Da lachten beide Frauen, und die Hebamme wies aufs Bett. »Du ganz sicher nicht. Und nun leg dich hin, und lass mal sehen.« Sorgfältig betastete sie den Leib, Magdalena musste die Beine aufstellen, spürte für einen Moment den Finger in den Schoß eindringen, dann hatte sich die füllige Frau wieder aufgerichtet. »Du gefällst mir. Bin sehr zufrieden. Das Kind hat sich zwar schon gesenkt, aber ich denke, es braucht noch ungefähr zehn Tage. Ende April wird es so weit sein.« Sie hatte ihr den Oberschenkel getätschelt und war mit der Herrin hinausgegangen.
Magdalena nahm den Korb vom rechten Arm, hing ihn zum ovalen, mit einem Klappdeckel verschlossenen Tragekessel und legte sich die freie Hand auf den Bauch. »Bleib schön drin, mein Kleines. Erst müssen wir noch auf den Markt.« Fisch sollte sie besorgen, Gewürze und unten beim Aufgang zur Brücke noch ein frisches Brot. Auf dem Weiterweg flüsterte sie: »Katharina«, sagte den Namen halblaut, blickte sich kurz um, und weil niemand in der Nähe war, rief sie: »Katharina!«, lauter noch: »Kathi! Katharina!« Klingt nicht schlecht, dachte sie und wiederholte die Probe nun mit Florian. Entweder oder, beide Namen hatte sie sich für ihr Kind ausgesucht. Nicht allein. Die Wahl war eine Plage gewesen. Bei der Erinnerung krauste Magdalena die Nase.
Schon im Januar hatte sie ihre Herrin nach schönen Namen gefragt. Als der Schnee schmolz und der Weg ins obere Tal nicht mehr so beschwerlich war, hatte sie bei einem Besuch auch von der Schwägerin wissen wollen, wie das Neugeborene heißen sollte. Jede nannte andere Namen, schließlich gab es zehn Vorschläge, und Magdalena fand keinen gut und passend für ihr Kind. Anfang März dann war Meister Til in die Apotheke gekommen und hatte nach ihr gefragt.
»Er wollte mich besuchen.« Magdalena sagte es, als müsste sie sich selbst wieder davon überzeugen. »Wie das gekommen ist, weiß ich nicht. Aber er wollte nur mich besuchen, nicht meine Herrschaft, und das weiß ich genau.«
In der Guten Stube im ersten Stock hatte Tilman Riemenschneider auf sie gewartet. Er saß da, und der Stuhl schien Magdalena viel zu schmal für den großen Mann. Sie war gleich an der Tür stehen geblieben. Nachdem die Herrin ihm einen Becher Wein eingeschenkt und er auf das Wohl der Apothekerfamilie den ersten Schluck genommen hatte, erkundigte er sich mit seltsam gepresster Stimme nach Magdalenas Befinden und ob sie sich wohl fühle.
»Mir geht es gut.«
»Das höre ich gern.« Sein Blick streifte ihren Bauch, kehrte zur Wölbung zurück und blieb einen Atemzug lang. »Deine Schwangerschaft … Ist sie sehr beschwerlich?«
»Aber nein, Herr. Ich kann ganz normal die Hausarbeit verrichten, nur das Bücken fällt manchmal schwer. Ich hab ja noch gut zwei Monate Zeit.«
Da atmete Meister Til wie befreit auf, seine Stimme wurde warm und vergnügt. »Also komme ich nicht zu spät.« Er schob das in Leinen eingeschlagene Paket auf dem Tisch in ihre Richtung. »Ein Geschenk.«
Aus Neugierde war Magdalena schon zwei Schritte unterwegs, erst da besann sie sich und bat Frau Adelheid: »Darf ich?«
»Aber ja, Dummerchen. Du musst, schließlich bin ich selbst gespannt.«
Es war ein hellgrüner fein gewebter Stoff, genug für ein Kittelkleid und ein Schultertuch. Magdalena jauchzte auf, entschuldigte sich sofort, doch die Freude wollte hinaus, so schloss sie einen Moment lang die Lider und trommelte sich mit beiden Fäusten leicht gegen die Schläfen. Das half, und als sie die Augen wieder aufschlug, gelang ihr sogar ein Knicks vor dem Meister. »Danke, Herr. Ihr seid wirklich sehr großzügig.«
Er hielt ihren Blick fest, sprach aber zur Frau des

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