Riemenschneider
sagen.«
»Danke«, murmelte er und nickte vor sich hin. »Du spürst sehr gut heraus, was ich meinen Figuren an Gefühl mitgeben möchte. Danke.« Er tauchte den Handstein ins Wasser und glättete weiter am Faltenwurf der Statue. Ohne ihn weiter zu stören, verließ Magdalena leise die Werkstatt.
In diesem Winter war der Schnee lange in den Straßen liegen geblieben. Er knirschte nach klaren Frostnächten unter den Füßen, und der Rauch aus den Kaminen stieg nicht auf, sondern schwärte vom Dachfirst hinab. Würzburg roch nach Herdbrand, und die Bürger wussten nicht, ob Kälte oder bläulicher Qualm die Augen tränen ließen. Dann, Ende Januar, wechselte das Wetter, Wind brachte Wolken, Wärme, der Schnee schmolz, und Straßen und Plätze versanken im schmutzigen Matsch.
»Und doch war der Winter eine schöne Zeit«, flüsterte Magdalena, während sie mit der Holzzange die Wäsche aus der Lauge fischte und in den Spülbottich gab. »Bis vorgestern. Bis er …« Mit dem Unterarm wischte sie sich die Stirn. »Ach, verflucht. Bist ja selbst schuld. Blöde Kuh, was bildest du dir denn auch ein?«
Energisches Geschrei drang durch die offene Tür. Florian meldete sich. Seufzend warf Magdalena die Zange zur Wäsche und ging nach draußen. Mittags gelangte die tief stehende Februarsonne bis unters Vordach zum Garten, dort lag der Junge fest eingemummt in eine Decke auf dem heugestopften Sack.
»Hast du schon wieder Hunger?« Magdalena setzte sich neben ihn, öffnete die Kittelschlaufen und befreite ihre rechte Brust vom durchnässten Stoff. »Dann komm, du Schreihals!« Sie hob den Sohn, sorgte, dass sein Kopf bequem in der Armbeuge lehnte, und spielte ihm die Warze in den Mund. Gleich öffnete Florian wieder die Lippen, wandte das Gesicht ab und jammerte empört auf.
»Was soll das denn?« Ein nächster Versuch, und wieder verweigerte sich der Junge. »Aber du musst Hunger haben. Ich hab’s doch an deinem Geschrei vorhin gehört.« Magdalena sah die entschiedene Ablehnung in Florians Gesicht, blickte auf ihre prall gefüllte Brust, und mit einem Mal hellten sich ihre Augen auf. »Du hast ja so recht, mein Schatz. So kann ich dir auch gar nicht schmecken.« Mit Schwung küsste sie die dunklen Locken und legte ihn wieder zurück. Nun aber löste sich Florian in Zorn und Verzweiflung auf.
»Warte. Gleich bin ich wieder bei dir.« Sie eilte ins Haus, wusch sich erst in den Bottichen mit klarem, lauwarmem Wasser die Hände, ehe sie auch die linke Brust aus dem Kittel nahm und sorgsam beide dunklen Höfe und Warzen vom Geschmack der Seifenlauge reinigte, dann kehrte sie barbusig zu dem Hungrigen zurück.
Kaum in Reichweite, griffen die kleinen Händchen entschlossen in die festweiche Rundung. »Nur keine Angst, ich geh nicht wieder weg.« Magdalena knetete Hof und Knospe zwischen den Fingerkuppen, mit der herausdrängenden Milch rieb sie ihre Brüste ein, bis der Duft verlockte, und nun durfte Florian endlich an die mütterliche Quelle. Der Junge trank, schmatzte leise, sein Saugen gab den Rhythmus nach innen weiter, und als Magdalena ihn an die linke Brust legte, empfand sie diesen Moment der Ruhe wie ein Geschenk.
Florian war gesättigt, lag wieder sicher verwahrt auf dem Heusack, und Magdalena kehrte in die Waschküche zurück. Kaum sah sie den langstieligen und vorn verbreiterten Bleuel, ergriff sie ihn noch ganz in Gedanken wie eine Waffe. Wovor aber sollte der Waschschläger sie schützen? Auf diese Frage gab es keine Antwort, dafür aber wucherte das Unglück wieder in ihr hoch, trieb das Blut und schnürte den Hals. Nein, nicht daran denken, befahl sie sich. Beinah überhastet schleuderte Magdalena den Bleuel zur Seite, griff mit beiden Händen in die Hemden, Unterkleider und Tischdecken, zog die Stücke durchs Wasser, wrang sie zu Würsten, stieß den Bottich mit dem Fuß um und füllte frisches Wasser aus dem Brunnen nach. Zweimal noch spülte sie, dann schleppte sie den schweren Korb nach draußen zu den in Reihen gespannten Wäscheleinen.
Die Sonne schien, ein leichter Wind ging, das gute Wetter hatte sich gehalten, würde sicher auch bis zum Abend so bleiben. Für gewöhnlich war es Magdalena ein persönlicher Triumph, wenn sie den Waschtag so gewählt hatte, dass die Stücke auch noch draußen trocknen oder wenigstens antrocknen konnten. An diesem Tag aber nahm sie die Wettergunst gleichgültig hin. Als die kleineren Teile im Wind schaukelten, griff sie nach dem ersten Laken und legte es über die Leine, das
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