Riemenschneider
Magdalenas.
Am Tag, als er ihr von der bevorstehenden Heirat mit Anna Rappolt erzählte, war Magdalena vom Schemel aufgesprungen, hatte Florian aus dem Laufstall genommen und an sich gepresst. »Mich braucht Ihr jetzt ja nicht mehr. Das Beste ist, wir gehen für eine Zeit zur Schwägerin nach Mühlhausen im oberen Tal. Vielleicht hat sie Platz für uns.« Tränen standen in ihren Augen. »Viel Glück, Herr.« Damit war sie hinausgelaufen.
Und nun wagt dieser Bermeter nach ihr zu fragen? Und dies auch noch mit solch anzüglichem Ton in der Stimme?
Der Spielmann erbleicht, hat gegen diese Kraft nichts aufzubieten, er stolpert rückwärts, blickt sich um, nur noch wenige Schritte bis zur Flügeltür, er starrt den Bildschnitzer an. »Was … was habt Ihr vor? Ihr könnt mich doch nicht …? Erbarmen, Herr. Ich bitte Euch.«
Das Flehen dringt durch den Zorn. Til bleibt stehen. »Wag es nie mehr, diese Frau zu belästigen! Und wehe dir, du sprichst jemals wieder ein schlechtes Wort über sie.«
Bermeter schüttelt eilfertig den Kopf. »Hab verstanden. Alles verstanden.«
Til lässt ihn los. »Und nun spiel die Flöte. Sei vergnügt, und unterhalte meine Gäste. Ich feiere heute Hochzeit.« Er zeigt ihm die geballte Faust. »Na, wird’s bald!«
Ansbach
Im Schloss zu Ansbach, im von Kerzen erhellten Speisesaal steht Götz mit noch drei anderen Edelknaben reglos an der Wand. Das Mahl ist längst beendet, noch aber spricht Markgräfin Sophia auf den ergrauten Gemahl Friedrich und die drei Söhne ein, ohne Pause, sogar ihre Fragen beantwortet sie selbst. Das Deutsch kommt der Tochter des polnischen Königs Casimir hart wie ein Steinregen von den Lippen, und die Worte prasseln über Gläser und Porzellan. »Ich wünsche …«, »Kein Nachbar soll es wagen …«, »Und wenn auch nur einer von Euch …«
Götz verdreht die Augen, der Juckreiz wird übermächtig, unmerklich lässt er die linke Hand eng am langen Rock zum Rücken wandern. Seine Finger wühlen sich in die Falte des dicken Stoffs nach unten, und endlich sind die Nägel über der üblen Stelle. Ausgiebig kratzt er sich, bis Schmerz das Jucken abtötet.
Unerwartet stockt der Redefluss, sofort nutzt Markgraf Friedrich den günstigen Moment, klatscht seiner Gemahlin ehrfürchtig Beifall und hebt die Tafel auf. Stühle scharren zurück, wie erlöst erheben sich die halbwüchsigen Söhne, grüßen und verlassen eiligen Schritts den Saal, würdevoll gemäßigt folgt ihnen das Fürstenpaar.
Kaum allein verschwinden die Edelknappen durch die nur schwer erkennbare, für das Gesinde gedachte Tapetentür und huschen durch schmale Gänge und enge Treppen hinab in den Essraum. Gedämpftes Lachen, Klappern von Geschirr empfängt sie. An langen Tischreihen sitzen gut fünfzig junge Männer, meist Söhne aus adligem Geschlecht, die hier am markgräflichen Hof ihre Erziehung erhalten. Für gewöhnlich achtet Götz von Berlichingen sorgsam darauf, nicht neben einem der verhassten polnischen Pagen, sondern nur bei den Freunden aus der Umgebung seiner elterlichen Burg zu sitzen. Doch weil der Aufwartedienst so lange gedauert hat und Hauptmann Paul von Absberg, der heute die Aufsicht führt, schon mit dem Finger schnippt, muss sich der blonde, stark gebaute Achtzehnjährige mit dem noch freien Platz neben einem dieser Schoßhunde begnügen. »Rück deinen Schemel etwas mehr zur Seite«, knurrt er und stemmt beide Ellbogen breit auf den Tisch.
Der Günstling der Markgräfin wendet den Kopf, seine kunstvoll geformte und mit Eiweiß steif gewichste Lockenpracht umrahmt das blasse Gesicht, verächtlich starrt er den Ungehobelten an und bewegt seinen Hocker nicht.
Schweigend löffelt Götz den Eintopf. Mit einem Mal rümpft er die Nase. »Was stinkt hier so?« Er beäugt seinen Nachbarn. »Hast du etwa …?« Kurz beugte er sich hinter den fein gekleideten Spross polnischer Ritterschaft. »O verflucht, Polenjauche.« Weiter schnüffelt er sich nach oben und fährt vor dem Haar zurück. »Dazu qualmt es vom Kopf nach faulen Eiern. Mein Gott, aus welchem Stall bist du ausgebrochen?«
Der Beleidigte bemüht sich, den Fluch zu unterdrücken, nur ein gurgelnder Laut dringt ihm aus der Kehle.
An der Stirnwand erhebt sich Hauptmann von Absberg. »Danket Gott und unserm gnädigen Herrn für diese Speise!« Kaum ist das gemeinsame Amen verklungen, springt Götz hoch, dabei streift sein Rockärmel die Haarpracht des Nachbarn, reißt die gefestigten Locken auf der linken Seite auseinander. Das
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