Riemenschneider
…«
Ihr Zischeln unterbricht ihn. »Untersteh dich, in der Kirche zu lügen. Und jetzt sei still!«
Der Bauch hebt und senkt sich. Georg Suppan bläht eine Weile die Wangen, seine Miene sagt eindeutig: Ich habe recht; doch dies vor Hedwig jetzt auszusprechen, wagt er nicht.
Anfang Mai hat ihn der Meister auf ein Glas Wein in die Schankstube des Rathauses eingeladen. Nein, Til wollte nicht am gewohnten Tisch sitzen. Dieses Mal bat er den Freund in die hinterste Ecke und platzierte sich selbst mit dem Rücken zum Gastraum. Nach dem Alltagsgeplänkel, gefolgt von Schweigen und einem tiefen Zug aus dem Becher, räusperte er sich: »Zwei Lehrbuben und drei Gesellen wohnen jetzt bei mir unterm Dach. Du weißt, die Zunft schreibt vor, dass ein Meister sie nur beherbergen darf, wenn er bei eigenem Herd und Rauch wohnt, wenn er eine Hausfrau hat.« Der große Mann faltete die Hände und legte sie schwer vor sich hin. »Ich muss heiraten, Georg. Nur weiß ich nicht, wen. Du bist mein Freund, kennst dich besser in der Stadt aus. Weißt du ein Weib für mich?«
Überrascht lehnte sich Bürgermeister Suppan zurück. »Als Brautschauer taug ich nicht viel …«
»Danke.« Den Einwand überhörte Til, nahm ihn sogar als Zustimmung. »Große Ansprüche stelle ich nicht. Nur lohnen muss sich die Partie. Also eine betuchte Frau. Wenn möglich, soll sie nicht allzu alt sein. Und vor allem muss sie ein freundliches Gemüt haben. Weißt du, wenn Lachen im Haus wohnt, dann geht die Arbeit leichter von der Hand.«
»Keine großen Ansprüche«, spottete Georg, dabei strich er seine Bauchseiten. »Solch ein Weib hätte ich auch gerne.«
Til nickte ernst. »Nun, den einen oder anderen Fehler … damit kann ich mich abfinden.«
Suppan sah, dass der Meister heute für Heiterkeit nicht empfänglich war. »Spaß beiseite. Wenn eine für die Brautsuche in Frage kommt, dann ist es meine Teuerste. Sie kennt sich in jeder Küche von Würzburg aus und weiß genau, wie viel Salz dort im Fass liegt. Sei ganz getrost, sie wird dir schon die richtige Hausfrau finden.«
Und Hedwig entsprach ihrem Ruf. Sie fragte im Kreise der Freundinnen, horchte und knüpfte Fäden, bald war die Richtige entdeckt: Anna Rappolt, zart, beinah zerbrechlich von Gestalt, das schmale Gesicht schien nur aus den graublauen Augen zu bestehen, und selbst wenn sie lächelte, blieb ein Schimmer von Trauer in ihrem Blick. Anna hatte erst den Vater und bald danach auch die Mutter verloren. Als Mitgift brachte sie dem Meister ein geräumiges Haus nahe der Domstraße und etliche Weinberge und …
Georg Suppan wendet den Kopf, sieht von Brautpaar und Pfarrer weg auf die Kinderschar. Artig aufgereiht stehen Melchior, Balthasar, Philipp und Elisabeth da und warten darauf, der ältesten Schwester endlich den langen Schleier tragen zu dürfen. »Zu der Braut noch gleich vier kleine Esser dazu«, flüstert er tonlos vor sich hin. »Mit solch einem Fehler … Nein, mit dem Rattenschwanz hätte ich mich nicht abgefunden.«
Klatschen und Glückwünsche vom Straßenrand, nach einem Umtrunk vor dem Rathaus erreicht der Hochzeitszug das Tor zum Hof Wolfmannsziechlein. Die Stadtmusikanten spielen auf. Hans Bermeter führt heute die Spielleute. Er lässt seine Flöte jubeln, tänzelt vor dem Brautpaar hin und her durch den Bogengang, verbeugt sich, dreht sich und hüpft; im Innenhof klatschen die Gäste, und der frisch vermählte Hausherr steckt ihm einen Extraschilling zu.
»Zu großzügig.« Bermeter kratzfußt. Er hält den Atem an, zögert und gleitet dann näher. »Meister, verzeiht. Ist eine Frage erlaubt?«
»Nur zu.«
Mit einem Zungenwisch benetzt der Spielmann seine Lippen. »Wo ist sie? Bei den Bediensteten kann ich sie nicht entdecken.«
»Wen meinst du?«
»Eure … na, sagen wir …« Dem feixenden Mund entgleiten ölig die Worte: »Eure Aushilfsmagd. Diese Magdalena. Sie wohnt beim Apotheker, aber sie kommt zweimal die Woche her. Mit ihrem Sohn. Ich mein, mich geht es ja nichts an, aber ich dachte, so wie Ihr Euch um Mutter und Kind sorgt, da müsste sie doch an solch einem Festtag …«
»Schweig!« Til packt den Arm des Spielmanns, drückt zu und schiebt ihn Schritt für Schritt von der Tafel weg in Richtung Werkstatt. »Jetzt weiß ich, wer du bist. Du hast damals die Bauersleute vor meiner Tür abgepasst und erschreckt.«
Der Griff lockert sich nicht, im Gegenteil, fester noch quetscht Til den Arm des Schandmauls, als wollte er ihn auch bestrafen für die überhastete Abreise
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