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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Kunstwerk ist zerstört!
In Lärm und Lachen geht der Wutschrei des polnischen Pagen unter. Nur Götz dreht sich nach ihm um, da sieht er das lange Brotmesser, entkommt dem Stich durch einen schnellen Hüftschlenker, und schon reißt er seinen Kurzdegen aus dem Gürtel. »Du polnische Ratte!« Er schlägt dem Angreifer die Klinge rechts und links um den Kopf, sticht nicht zu, aber zerfetzt ihm das Haar. Die Hiebe werden schneller, erst als beide Ohren bluten, es rot aus den Halswunden quillt und der Page vom Schemel sinkt, steckt Götz die Waffe wieder zurück, spuckt aus und mischt sich ins Gedränge zum Ausgang hin. Kurz hat der Vorfall gedauert, allein die Umstehenden haben ihn bemerkt.
Früh am nächsten Morgen muss Götz den Markgrafen auf dem sonntäglichen Kirchgang begleiten. Nach der Rückkehr ins Schloss wird hinter dem Edelknaben das Tor zugeschlagen, und der Untermarschall stellt sich ihm mit zwei Wachen in den Weg. »Du bist verhaftet wegen der Prügelei mit dem Polen. Gib mir deine Waffen!«
»Rühr mich nicht an!« Götz erbleicht, springt zurück, die Rechte umfasst den Schwertknauf. »Das muss ein Irrtum sein, glaub mir. Nur verteidigt hab ich mich.« Sein Blick sucht nach der Treppe. »Ich … ich werde erwartet. Die Prinzen haben nach mir verlangt.«
»Bis jetzt bist du nur ein dummer Raufbold.« Gelassen betrachtet ihn der zweite Hofmeister. »Widerstand würde deine Lage verschlimmern. Und das will ich nicht. Deshalb lauf nach oben, Berlichingen, und versuch nachzudenken. Entkommen wirst du mir ohnehin nicht.«
Casimir, Georg und Albrecht, die Söhne des Markgrafen hören die Geschichte, lachen grimmig, als Götz ihnen von den Hieben berichtet, die er dem geleckten Polen verabreicht hat, und empören sich über den Untermarschall. »Wie kann er dich verhaften? Der Pole hat zuerst zugestochen.«
Die Prinzen wollen helfen und versprechen, beim Morgenmahl mit dem Vater zu reden. Der Edelknabe solle sich so lange im Geheimzimmer hinter der Kleiderkammer verstecken und die Tür von innen verriegeln.
Finster und stickig ist es. Obwohl er den Schlüssel in der Faust hält, fühlt sich Götz gefangen. Zum ersten Mal in seinem Leben gibt es kein Vorwärts. Schweiß rinnt ihm von der Stirn.
Daheim auf der Burg in Jagsthausen: Die Mutter konnte den Jungen kaum zähmen. Mit seinem Lachen entschuldigte er Streiche, mit dem Glänzen der hellen Augen erbettelte er sich Vorteile den älteren Geschwistern gegenüber. Götz war beliebt bei Mägden und Knechten, und niemand in seiner Umgebung konnte ihm lange böse sein.
»Die Schule schmeckt mir nicht«, schimpfte er schon nach einem Jahr Unterricht. »Ich will zu den Pferden, will reiten und kämpfen.« Und die Eltern fügten sich, gaben den Fünfzehnjährigen in die Obhut seines Vetters. Von Ritter Konrad lernte er nicht nur den Umgang mit Schwert, Lanze und Armbrust, sondern auch die Lust aufs Dreinschlagen und vor allem den Durst nach Rache.
Hier am markgräflichen Hof sollte Götz bei all seiner Wildheit wenigstens etwas Schliff und vornehme Lebensart erhalten.
»Verflucht.« Er kratzt mit dem Schlüsselbart in der juckenden Hinternkerbe. »Und nun versteck ich mich hier im dunkeln Kabuff wie ein feiger Höfling …«
Die Prinzen kehren zurück. Ihre Mienen zeigen schon, dass es keine Hilfe für den Edelknaben geben wird. Casimir, der Älteste, nagt an der Unterlippe. »Wir haben alles versucht. Vater hätte dich auch bestimmt vor der Strafe bewahrt. Doch dann mischte sich unsere Mutter ein …«
Sophia hörte nur, dass einer ihrer polnischen Pagen in den Streit verwickelt war, als sie ohne Zögern ein Machtwort sprach: »Wenn du, mein Gemahl, auch weiterhin ein gutes Weib an deiner Seite haben möchtest und ihr, meine Söhne, eine gnädige Mutter, so verlange ich von euch allen die Zusage, diesen frechen Unhold in den Turm zu werfen.«
Heftiger noch schabt Casimir mit den Zähnen die Unterlippe. »Wer wagt schon, ihr zu widersprechen? Niemand.«
Götz schüttelt den Kopf. »Der Pole hat angefangen. Niemand sperrt mich ein. Ich fliehe …«
»So warte doch.« Wie Verschwörer nähern sich die drei Prinzen. »Geh in den Kerker. Und bei unserer Ehre, schon nach einer Viertelstunde holen wir dich wieder heraus. So leisten wir der Mutter Gehorsam, und du bist dennoch frei.« Die Söhne des Markgrafen drängen, Georg, der Zweitälteste, bietet ihm für den Aufenthalt im Turm sogar seinen mit Marder- und Zobelpelz gefütterten Samtmantel: »Damit du nicht

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