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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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frierst.«
Götz sieht von einem zum andern. Wenn er sich ihrem Vorschlag fügt, werden die Prinzen seine Verbündeten. Wer weiß, wann ihm das sogar mehr Nutzen bringt als heute. Und er erinnert sich, welchen Satz ihm Ritter Konrad von Berlichingen noch eingeprägt hat: Schlag dich, mit wem du dich schlagen willst, aber sorg stets dafür, dass du die Starken auf deiner Seite hast. Götz deutet auf den Mantel: »Was soll ich damit? Nachher versaue ich das gute Stück noch mit Kot und Pisse vom Boden der Zelle.« Er seufzt schwer. »Also gut, ich geb mich drein und verlass mich auf euer Versprechen.«
Die Prinzen halten Wort. Kaum ist der Riegel zugeschnappt, wird er schon wieder geöffnet. Hauptmann Paul von Absberg nimmt ihn in Empfang und lässt sich den Vorfall von Beginn an erzählen. Mühelos kann Götz den biederen Ritter von seiner Unschuld überzeugen und gewinnt in ihm einen Fürsprecher vor den Hofräten.
Alle Edelknaben und Pagen aus den deutschen Landen sind mit im Saal und klatschen, als Götz von Berlichingen freigesprochen wird.
Hauptmann Paul reicht die Entscheidung nicht. »Ist es nicht gerecht, den Polen einzusperren«, wendet er sich an die Herren Räte. »Er hat den Streit begonnen. Der Page gehört in den Turm.«
Doch da wird nur die Stirn gerunzelt, und der Vorsitzende sagt mit entschiedener Stimme: »Er ist aus polnischem Adelsgeschlecht und vor allem Schützling unserer Markgräfin Sophia. Bedenk die Folgen einer Verurteilung für uns und für dich. Der Page bleibt in Freiheit. Diese Antwort soll dir genügen.«
Der Hauptmann fügt sich. Kaum aber hat Götz den Ratssaal verlassen, ballt er die Faust. »Mit genügt es nicht. Warte nur, du polnische Ratte. Irgendwann werde ich dich allein antreffen. Und dann gnade dir Gott!«
Florenz

Nur noch bekleidet mit einem knielangen Hemd, ohne Tonsur, nackt der Kopf. Von jedem Zeichen der höheren und niederen Weihen entblößt, so tappt Girolamo Savonarola barfuß über den mit Glasscherben gespickten Holzsteg. Seine beiden engsten Mitstreiter im Gottesstaat von Florenz sind schon vor ihm den Weg gegangen; ihre leblosen Körper baumeln an den Armstümpfen des Kreuzgalgens, die Augäpfel vorgequollen, lang und bläulich hängen ihnen die Zungen aus den Mündern.
Schritt für Schritt, tief dringen die Splitter in die Fußsohlen, der Schmerz nimmt zu.
Verloren. Kein irdischer Retter wird hinzueilen. Am 7. April 1498, einen Tag vor der Gefangennahme des fanatischen Bußpredigers, war sein einziger mächtiger Verbündeter, Karl VIII., König von Frankreich, im Schloss Amboise durch einen Unfall gestorben.
Savonarola senkt den knochigen Schädel. Verlassen. Kein Wunder, kein himmlisches Zeichen im letzten Moment. Auch Gott hatte seine Hand abgezogen, er verschmähte die Gabe des selbst ernannten Propheten, der ihm das Königreich Jesus Christus, das Tausendjährige Reich auf Erden, errichten wollte. Und so konnten die Widersacher mit Erlaubnis des Borgiapapstes Alexander, des sechsten dieses Namens, über den Mönch herfallen, ihn aus dem Kloster reißen …
Im Angesicht der Folterwerkzeuge verzagte aller Mut. »O Herr, steh mir bei!« Sie banden ihn mit dem linken Arm an einen Strick, hievten ihn bis zur Decke, dort baumelte er, nackt und ausgemergelt. »O Herr, lass den Kelch an mir vorübergehen.« Doch sein Flehen blieb unerhört. Sie ließen das Seil los, der Fall war eine Ewigkeit ohne Atem, die Rettung dicht über dem Boden ein furchtbares Erwachen, der Arm wurde zur jähen Stichflamme. Girolamo schrie, schrie, wollte gestehen. »Ja, alles war Täuschung … Nie hatte ich eine göttliche Offenbarung … Allein aus der Schrift erkannte ich die Notwendigkeit einer Erneuerung der Kirche … Mein ganzes Streben war auf den Ruhm der Welt gerichtet, auf Ehre und Ansehen … Ich wollte mir für die Gegenwart und Zukunft einen unsterblichen Namen machen … Wäre Papst Alexander verjagt und ich zum Heiligen Vater gewählt worden, so hätte ich dies nicht verschmäht …«
Am Fuß des Kreuzgalgens fleht Savonarola den Scharfrichter an: »Verknote mir das Hemd zwischen den Beinen!«
»Ich knüpfe nur Schlingen für den Hals. Gleich bekommst du da oben deinen Ehrenplatz in der Mitte. Lass die Leute dir getrost unters Hemd gucken. Wer tot ist, schämt sich nicht mehr.« Am Hüfstrick wird er die Leiter hinaufgezerrt. Aus der Masse geifert es: »Savonarola, du Prophet. Beeil dich! Jetzt wird es höchste Zeit, ein Wunder zu vollbringen.«
Er schweigt, stürzt ins

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