Riemenschneider
muss ich daran denken, an die Werkstatt, den glatten kühlen Stein und wie gut Eure Heiligen riechen, nein, ich mein das Lindenholz. Ach, Herr, alles ist lange her und vorbei.«
»Das muss nicht so sein.« Til beugt sich vor. »Darf ich mich zu dir setzen?«
Er wartet die Erlaubnis nicht ab, zieht den Schemel näher und legt beide Hände offen auf den Tisch. »Um es ohne Umschweife zu sagen: Ich bin hergeritten, weil ich fragen wollte, ob du nach Würzburg zurückkommst. Arbeit gibt’s für dich genug im Hof Wolfmannsziechlein. Diese vielen Kinder … Nie habe ich geglaubt, dass sie solch einen Lärm verursachen können; schlimmer noch, keine Tür ist vor ihnen sicher. Stell dir vor, wir müssen uns manchmal in der Werkstatt einschließen, weil diese Ungeheuer einfach nicht gehorchen.«
Magdalena runzelt die Stirn. »Bin ich so vergesslich? Als ich wegging, da gab es nur Gertrud. Und sie war still und gut erzogen.«
»So ist es. Friede herrschte im Haus. Dann aber habe ich Anna Rappolt geheiratet …«
Sofort wendet Magdalena ihm den Rücken zu. Ohne es wahrzunehmen, berichtet er von den vier jüngeren Geschwistern seiner Gattin. »Jedes allein ist sicher liebenswert, doch gemeinsam …« Er lässt eine bedeutungsschwere Pause, ehe er fortfährt: »Vor drei Jahren kam dann Katharina zur Welt, Anfang letzten Jahres unser Jörg, ja, und …«
Weil Til stockt und auch nach einer Weile nicht weiterspricht, dreht sich Magdalena um. »Was ist, Herr?«
Nachdenklich malt er mit der Fingerkuppe einen Kreis neben den anderen auf die Tischplatte. »Seid fruchtbar und mehret euch, heißt es in der Schrift.«
»Ist Anna wieder schwanger?«
»Nur dieses Mal trägt sie schwerer daran als sonst. Haus, Kinder und auch noch die Schwangerschaft, Anna schafft es nicht allein.« Til hebt den Kopf, und während er Magdalena ansieht, verdunkelt sich das Braun seiner Augen. »Hilf uns, bitte. Komm zurück! Wohnen kannst du beim Notar Martin Cronthal. Und deinem Florian wird es sicher guttun, mit den andern aufzuwachsen.«
Magdalena verbirgt das Gesicht hinter beiden Händen. Ich begreife mich nicht. Weil es mir wehtat, habe ich mir verboten, an diese Anna zu denken. Aber seit er hier ist, schmerzt mich der Gedanke an seine neue Frau nicht mehr.
Magdalena hat sich entschieden, will dennoch zögern. Er soll nicht meinen, dass bittere Not sie gezwungen hat, seinen Vorschlag anzunehmen. »Und wenn ich Nein sage, Herr?«
Schweigen. Meister Til legt einen Lederbeutel vor sie hin. »Du weißt, ich kenne und achte deinen Stolz. Und musste mit dieser Antwort rechnen. Für den Fall, dass du nicht zurückkommst, habe ich den Gulden mitgebracht, den ich dir noch schulde.«
Zwischen den Spalten der Finger hindurch beobachtet Magdalena seine Miene. Nein, er ist nicht aus einer Laune hergekommen, er meint es ernst. »Danke, Herr.« Magdalena greift nach dem Beutel und schiebt ihn in die Mitte des Tisches. »Ich nehme das Geld an.«
Meister Til bemüht sich, die Enttäuschung zu verbergen, heftig reibt er die Lippen aufeinander, ehe er fragt: »Und nichts kann dich umstimmen?«
»Nein, Herr. Der Gulden ist für die Schwägerin, damit können sie den Zehnten bezahlen und müssen die Kuh nicht abgeben.« Magdalena sucht seinen Blick. »Und ich vertraue ganz auf Euch. Ich komme mit dem Jungen nach Würzburg …«
Speyer
Die Gerüchte halten sich hartnäckig, erreichen den Hof des Bischofs zu Speyer: »Da gibt es eine Bewegung des gemeinen Mannes … Ein neuer Bundschuh. Da hat sich ein Geheimbund gegründet …«
»Wo? Sag den Ort.«
»Wie man hört, sollen die Aufrührer im Bruchrain bei Untergrombach, nahe von Bruchsal, ihren Treffpunkt haben.«
Bischof Ludwig gibt Befehl, seine Patrouillen durchkämmen das Gebiet, doch die Verschwörer werden rechtzeitig gewarnt, nicht einer wird aufgespürt.
Keine Informationen, so sehr sich auch der bischöfliche Spion bemüht, er findet in den Dörfern ringsum keine undichte Stelle mehr und muss beschämt vor den Stuhl seines Herrn treten: »Nichts deutet mehr auf einen Bundschuh hin. Doch ich ahne ihn, sehe die Verschwörung den Gesichtern der Bauern an. Nur fehlt mir jeder Beweis.«
»Bleib wachsam«, entscheidet Bischof Ludwig und schickt vorsorglich Boten an König Maximilian und die fürstlichen Nachbarn: »Wie zuvor im Elsässischen ein Bundschuh aufbegehrte … mit Verlaub, diese seltsame Bezeichnung verdient eine Erklärung: Dort haben die Bauern ihren groben Schuh, den sie mit Riemen am Beine festbinden, in
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