Riemenschneider
ihr Banner gemalt und sich den Namen Bundschuh gegeben … So wie im Elsässischen droht nun auch in meinem Bistum ein Komplott des gemeinen Mannes. Werte und liebste Freunde, lasset uns vereint nach Gegenmaßnahmen suchen …«
Im Stillen aber wächst der Bund weiter. Nacht für Nacht kniet irgendwo im Wald oder Feld rechts und links des Rheins ein neugewonnener Bruder vor einem Wegkreuz. Fünf Vaterunser und fünf Ave-Maria leiten die Zeremonie ein. »Ich schwöre …« Bald haben sich schon siebentausend Männer zusammengefunden, dazu vierhundert Frauen, die von der Sache wissen und sie mit Leidenschaft unterstützen. Sie erkennen sich an der Parole, fragt der eine: »Loset, was ist nun für ein Wesen?«, so muss die Antwort lauten: »Wir mögen vor Pfaffen und Adel nit genesen.«
Unterstützt von tüchtigen Hauptleuten, plant vor allem einer den Umsturz. Er baut an dem weitgespannten Netz, das sich über Dörfer und Weiler des Mittelrheins bis hin zu Neckar und Main ausdehnen soll: Joß Fritz. Schon seine Gestalt beeindruckt, der Blick der Augen aber zieht in den Bann, und seine Rede begeistert. Joß Fritz achtet sorgsam auf seine Kleidung, mal trägt er den schwarzen französischen Rock über weißen Hosen, und tags darauf erscheint er in Rot und Gelb; mal gibt er sich als in allen Farben schillernder Landsknecht, dann wieder elegant wie ein Herr. Krieg und Tod kennt er aus vielen überstandenen Schlachten, und das Spiel der Verstellung hat er im Umgang mit Höflingen und Junkern gelernt; über all den Fähigkeiten aber herrscht sein scharfer Verstand.
»Nichts denn die Gerechtigkeit Gottes!« Dieser Wahlspruch umkränzt einen vor dem Kreuz knienden Bauern auf der blau-weißen Bundesfahne. Und unter dem wehenden Tuch verkündet Joß Fritz die Ziele der Bewegung: »Kein Zins oder Zehnten geben wir mehr … Wir zahlen keinen Zoll, keine Steuern mehr … Frei soll die Jagd für uns sein, frei die Fischerei; frei sollen sein Wald und Weide, weil Gott sie für alle erschaffen hat …«
Das Glühen seiner Augen setzt den Funken in die Herzen. »Wehe euch, ihr Fürsten, Edlen und Pfaffen! Wir schütteln das Joch ab und kommen über euch …«
Auf Bitten des Bischofs zu Speyer haben sich inzwischen Ratgeber des Königs und Gesandte der Pfalzgrafen und Bischöfe sowie Abgeordnete der Städte in Schlettstadt zusammengefunden. Nach der Beratung prangt das Siegel Maximilians I. unter dem Beschluss: Von nun an droht jedem, der sich mit seinem Schwur der Verschwörung angeschlossen hat, unerbittliche Verfolgung und Bestrafung. Wer dem Bauernbund angehört, dem soll das ganze Hab und Gut eingezogen werden, dessen Weib und Kind werden für immer aus dem Land gejagt; und wird der Mann gefangen, so soll er bei lebendigem Leib gevierteilt werden. Die Anführer und Hauptleute der Verschwörung aber müssen zuvor an den Schweif eines Pferdes gebunden und über eine lange Strecke zur Vierteilung hingeschleift werden.
Der Plan zum Umsturz reift. Zunächst soll die Stadt Bruchsal, mit Einverständnis beinah der Hälfte aller Bewohner, überfallen und zum Hauptquartier befestigt werden. Von da aus soll das große Bauernheer nach Baden einrücken und nicht mehr anhalten, bis alle Lande dem Bündnis einverleibt sind. »Weil die Sehnsucht nach Freiheit in jeder Brust drängt, werden alle Bauern und Bürger im ganzen Reich zu uns überlaufen …!«
Joß Fritz hat seine Unterführer in den Plan eingeweiht, hat ihnen letzte Anweisungen mitgegeben. »Alles habe ich bedacht. Nichts kann unser Vorhaben jetzt noch vereiteln.«
Doch einen seiner Vertrauten befällt Angst, ihn erschreckt das Ausmaß des Vorhabens. Was wird werden? Was geschieht, wenn der Fürst nicht mehr der Fürst, der Abt nicht mehr der Abt, wenn die Obrigkeiten unten im Staub liegen? Was wird sein, wenn die Welt in Unordnung gebracht ist? Die Gedanken lasten auf Lukas Rapp. Er kniet im Beichtstuhl, will Gottes Beistand, um leichter an der Bürde tragen zu können.
»Hab Vertrauen, Sohn. Öffne dein Herz!«
Und Lukas Rapp beichtet dem Pfarrer, zählt die Dörfer auf, in denen die Hauptleute wohnen, berichtet vom geplanten Überfall auf Bruchsal und benennt die geheimen Sammelpunkte, genau beschreibt er Marschrouten und Ziele.
Der Pfaffe wittert eine Belohnung und bricht ohne Skrupel das heilige Beichtgeheimnis, er verrät den bevorstehenden Umsturz an die Kanzlei. Alarm! Geistliche und weltliche Herrscher zögern nicht. Kuriere hetzen ihre Pferde querfeldein, überbringen
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