Riemenschneider
überging es mit Schmunzeln. »Gewährt Ihr mir und meinen Leuten Unterkunft für eine Nacht?«
»Mit großer Freude.« Erleichtert, nicht in die Fehde hineingezogen zu werden, bot Philipp von Kronberg seine Gastfreundschaft an und versprach auftischen zu lassen, was Keller und Vorratskammern hergaben.
»Danke, lieber Freund. Zuvor aber muss ich dem Grafen von Königstein noch einen Brief schreiben.«
Die Sonne neigte sich im Westen den Baumwipfeln zu, als der Sekretär mit Thoma die Burg verließ und beide ihre Pferde in Richtung des nahen Königsteins lenkten. Im Lederköcher trug Sinterius das Schreiben seines Herrn: » … so teile ich Ihro Gnaden mit, dass ich aus Respekt Ihro Gnaden verschont habe und willens bin, den Warenzug an einer anderen Stelle anzugreifen und nicht auf dem Gebiet Ihrer Gnaden, sondern auf der Straße gleich außerhalb der Grenze …«
In der sommerlich warmen Abenddämmerung kehrten die Diener zurück und ließen sich melden.
Das Festmahl hatte längst begonnen. Duft nach Braten und Fisch verschwägerte sich mit dem Qualm der lodernden Fackeln an den Wänden. Musikanten spielten. Götz warf das Bratenstück zurück und wischte mit dem Ärmel übers fettige Kinn. Kurz verneigte er sich vor der Gemahlin seines Gastgebers. »Verzeiht die Störung und entschuldigt mich.«
Leicht verstimmt lächelte die alte Dame. »Wenn es sein muss. Wir warten mit dem nächsten Gang.«
Draußen auf dem Flur drängte Götz seine Diener in eine der Nischen. »Also? Was hat der Graf geantwortet?«
Sinterius zog das Schreiben aus dem Köcher. »Soll ich vorlesen?«
»Dafür ist keine Zeit. Sag mir, was drin steht!«
»Der Graf bittet Euch, ihm zur Ehre und Liebe, von Euern Vorhaben abzulassen. Er ersucht Euch mit Nachdruck, die neun Wagen unbehelligt weiterfahren zu lassen …«
»Und?« Götz schnippte die Finger. »Das ist doch nicht alles?«
Sinterius sprach mit salbungsvoller Stimme weiter. Der Ritter feixte, grunzte; als sein Schreiber geendet hatte, schnappte er nach einem Ohr seines Knappen. »Nun, Schlaukopf, hast du genau aufgepasst? Das nenne ich Geschick. So muss ein gut durchdachter Plan aufgehen.«
Kaum hatten der Wagentreck am übernächsten Morgen das Hoheitsgebiet des Grafen von Königstein verlassen und die Fuhrleute damit begonnen, ihre Zugochsen mit lautem Geschrei eine Anhöhe hinaufzutreiben, als aus der Senke hinter ihnen zwei Reiter erschienen. Rasch kamen sie näher. Die vier Bewaffneten der Nachhut sahen keine Gefahr und bedeuteten den Fremden mit Handzeichen, die Frachtwagen auf der linken Seite zu überholen. Die Männer aber zügelten ihre Gäule. Sinterius erkundigte sich zuvorkommend: »Verzeiht, seid Ihr auf dem Weg nach Köln?«
»Wer fragt?«
Nun zog der Zweite, der wesentlich vornehmer Gekleidete, eine Schriftrolle halb aus dem Rockärmel, seine nach unten gezogenen Mundwinkel deuteten an, dass er für gewöhnlich in besseren Kreisen verkehrte. »Wir sind Boten. Und haben eine dringende Nachricht für Euren Arbeitgeber.«
Gleichgültig wies einer der Bewaffneten auf die Gruppe vor ihm. »Der Dicke in der Mitte ist es.«
Dem Kölner Kaufherrn quollen die Augen vor, immer wieder hob er das Schriftstück, las, ließ es sinken und las erneut. »Ein Überfall? Ich fasse es nicht.«
»Und doch ist es so.« Der Vornehme legte die Rechte auf die Brust. »In meiner Eigenschaft als Notar und Vertrauter des Grafen von Königstein, der sich gnädiger Weise bereit erklärt hat, in dieser Sache zwischen dem Ritter und Euch zu vermitteln, rate ich dringend, den für morgen in Frankfurt angesetzten Termin wahrzunehmen. Andernfalls …«
»Eine Fehde.« Der Kaufherr schlug sich das Schreiben gegen die Stirn, beklagte gequält sein Los: »Warum weiß ich nichts davon?«
Unbeeindruckt setzte der Notar neu an: »Andernfalls, könnte es sehr rasch zu Blutvergießen und zum Verlust der gesamten Ladung kommen. Bedenkt, dass Ihr bereits vor Tagen überfallen wurdet. Seitdem begleitet Euch unsichtbar eine Übermacht.«
»Herrgott!« Der Zorn verschaffte sich Raum. »Wer ist denn dieser verdammte Strauchdieb?«
»Ihr sprecht von meinem Herrn?«, meldete sich Sinterius mit Nachdruck. »Es ist der ehrenwerte Ritter Götz von Berlichingen.«
»Ehrenwert? Kerl, ich will dir sagen …«
»Aber ich bitte Euch«, schnitt der Notar die Beschimpfung ab. »So schwierig die Lage auch sein mag. Erziehung und Höflichkeit sollten bewahrt werden.«
Der Kaufherr gab den inneren Widerstand auf. »Und was befiehlt
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