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Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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ein alter Mann, der langsam heraufgekommen war, sich neben Johanna stellte und griesgrämig den Arbeitern zusah.
    »Alles Polen. Deshalb kriegen unsere Leute keine Arbeit mehr. Der deutsche Wein wird nur noch von Polen gelesen, und von Rumänen. Es ist gar kein deutscher Wein mehr.«
    »Ihre hässliche Jacke stammt aus China, und Ihre Billigjeans wurden auf Madeira genäht!«, blaffte Johanna zurück und ließ den Mann mit offenem Mund zurück. Sie hatte es satt, sich ausländerfeindliche Sprüche anzuhören. Wenn es darum ging, irgendetwas billiger zu kriegen oder Hungerlöhne zu zahlen, waren Ausländer gut genug, aber wenn sie die gleichen Rechte einforderten, sollten sie verschwinden. Johanna wandte sich brüsk ab und ging auf die Arbeiter zu, |257| die freundlich grüßten. Es waren tatsächlich Polen, und sie bestätigten die Worte des Alten, dass der Zaun vor Wildschweinen schützen sollte. Undurchdringliches Gestrüpp, Brombeeren, Büsche und Bäume boten ihnen gleich nebenan ein ideales Biotop. Trotzdem gefiel es Johanna, wie sich die Natur den Hang zurückholte.
    Sie kehrte ins Tal zurück, warf noch einen kurzen Blick in den Hof mit der leeren Wohnung und fuhr zum Restaurant.
    Sie bestellte von allen Weinen nur ein Gläschen und bat darum, die jeweilige Flasche dazuzustellen. Der Winzer wollte sich dazusetzen, aber dann hätte Johanna wieder in der Erklärungsfalle gesessen. So probierte sie Riesling vom Schiefer-Löss-Boden, den sie als charmant und weiblich empfand, anders als der vom Schiefer, der ihr männlich und mineralisch vorkam. Die Rieslingauslese von achtzig Jahre alten Rebstöcken gefiel ihr ausnehmend gut, ein Weißwein mit dem Duft von tropischen Früchten und Honig, weich und warm. Der Silvaner und der Weißburgunder waren nicht ihr Fall, da kam ihr der Lorcher Pfaffenwies als aromatischer und seriöser Wein mehr entgegen.
     
    »Sie haben ohne mich angefangen? Das geht aber nicht   ...«
    Johanna fuhr zusammen, als Thomas Achenbach unvermutet hinter ihr stand. Es war das zweite Mal an diesem Tag, dass sie derartig erschrak. Ihre Nerven waren dünn, aber ihre Schlagfertigkeit hatte nicht gelitten.
    »Ich bin sogar ohne Sie fertiggeworden. Da staunen Sie, nicht wahr? Was wollen Sie über das Süße-Säure-Spiel dieser Weine wissen? Ich könnte Ihnen was zu ihrer Komplexität sagen, oder interessiert Sie die Struktur mehr? Was die Phenole und die Restsüße angeht   ...«
    »Ich trinke den Kaffee schwarz«, sagte er lachend und angelte nach einem Stuhl. »Wo wir uns derart häufig treffen, was halten Sie davon, wenn wir uns duzen?«
    |258| »Gar nichts!«, antwortete Johanna schärfer als gewollt und wiederholte es sogar, »gar nichts halte ich davon!«
    Der Ernst, mit dem sie ihre Ablehnung vorgebracht hatte, ließ ihn aufhorchen. »Ist etwas passiert?«
    Sein Gespür war gut, er hatte begriffen, worum es ging. Johanna fürchtete für einen Augenblick, dass sie zu schroff gewesen war, dabei mochte sie den Jungen, sie freute sich, ihn zu sehen, und in dem Hochschulbetrieb auf beiden Seiten des Rheins war er der Einzige, der inzwischen ihr ganzes Vertrauen genoss. In wenigen Worten berichtete sie von dem Gespräch mit dem Dekan und dem Gerücht, dass sie ein Verhältnis miteinander hätten.
    »Die Rosa Handtaschen«, platzte Achenbach heraus, »das sieht ihnen ähnlich. Aber ich habe mich an Ihre Regeln gehalten, Frau Breitenbach. Ich habe meinen Wagen benutzt, ich bin zu Ihnen nach Bingen gekommen   ...«
    »...   und dabei hat Sie jemand vor meinem Haus fotografiert. Die Handtaschen sind nur die Lautsprecher, den Text hat sich ein anderer ausgedacht.«
    »Florian.«
    Ein Achselzucken folgte. »Gehen Sie mal von folgender Voraussetzung aus. Wir beide«, sie bemühte sich um Abstand, obwohl sie sehr leise sprach, »wir beide ermitteln sozusagen in einem Mordfall, den alle Welt für gelöst hält. Nur Sie behaupten offen das Gegenteil, beschuldigen lautstark die Behörden, dass sie schlampig ermitteln, Sie legen sich mit der Kripo an, ziehen über den Staatsanwalt her, beklagen die Denkfaulheit Ihrer Mitmenschen und beschuldigen sie, sich zu Komplizen des Mörders zu machen. Wenn das nicht nur Ausdruck Ihres Wunsches ist, dass Manuel Stern unschuldig sein soll   ...«
    Johanna bemerkte, wie Achenbach für eine Entgegnung Luft holte, sie bremste ihn mit einer Handbewegung. »Ich weiß, dass Sie jetzt sagen wollen: Wenn Sie, Frau Breitenbach, nicht von seiner Unschuld überzeugt sind, dann

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