Riesling zum Abschied
Weinbereitung.«
»Wofür ist das wichtig?« Johanna war verwirrt und vom Wissen des Jungen beeindruckt. Er musste sich mit Haut und Haar ins Studium gestürzt haben, so engagiert wie für die Freilassung seines Freundes und den Aufbau des Weingutes. Sie spürte eine leichte Bitterkeit, als sie daran dachte, dass sie in ihrer Jugend ähnlich gewesen war. Und wie wenig war davon geblieben.
»Hefen sind wie Pilze überall«, setzte Achenbach seine Erklärung fort, »Hefen werden eingesetzt, damit hartschalige Beeren zum Beispiel leichter gepresst werden können, sie machen die Beerenhaut durchlässiger. Und dann das Desaster: Die Hefen kommen über Hefetrubdünger ins Freiland und verändern alle anderen Hefen – da zerreißen plötzlich alle Weinbeeren am Stock und laufen aus –, das sind Gefahren der Genmanipulation.«
»Eine Katastrophe.«
»Allerdings. Bei so komplexen Organismen wie Weintrauben und anderen phenolhaltigen Pflanzen muss man extrem vorsichtig sein. Also, wie ist es, steigen Sie ein? Denken Sie |262| sich was aus, Umweltschutz und Agrogifte, Weinbau und Pestizide, Rückstandsforschung, was bleibt im Wein von den Spritzmitteln, oder Nanotechnologie? Über ihre Bedeutung für den Weinbau weiß ich nichts. Für jemanden wie Sie dürfte es nicht so schwer sein, ein Thema zu finden.«
Johanna war verärgert, dass ihr ein Student ein Arbeitsfeld zuwies. Nach außen zeigte sie ihre Skepsis, aber im Inneren erwog sie den Gedanken bereits. Es konnte ein Weg sein. Sie würde keine Geheimnisse verraten, die Loyalität der Hochschule gegenüber war ihr wichtig.
»Über Genforschung im Weinbau weiß ich nichts. In der Humanmedizin halte ich sie für sinnvoll, in der Landwirtschaft überhaupt nicht.«
»Lässt sich das trennen? Was die Wissenschaft einmal weiß, verwertet sie auch in anderen Zusammenhängen.«
»In der Landwirtschaft geht es den Konzernen darum, an jedem Reiskorn, an jedem Stück Brot, das wir essen, mitzuverdienen. Im Grunde wollen sie Gottes Rolle einnehmen und sich an der Schöpfung bereichern. Wir werden dann nicht nur mit Schreien geboren, wie Sie es sagten, sondern auch mit einem Schuldenkonto bei Monsanto, Nestle und anderen Verbrecherorganisationen.«
Thomas zuckte zurück. »Das ist aber bitter. Solche Töne habe ich von Ihnen noch nie gehört. Glauben Sie an einen Gott?«
»Nein, aber manchmal muss man das so sagen.«
»Bleibt uns bei Ihrer Weltsicht überhaupt eine Chance?« Es war so leise und so vorsichtig gesagt, dass Johanna die harten Worte leidtaten. Sie hatte sich mal wieder in Rage geredet und damit ins Abseits manövriert. Thomas hatte sich richtig erschrocken. Johanna stöhnte innerlich. Durfte sie nie sagen, was sie wirklich dachte?
Sie wischte den Gedanken beiseite. »Gut, ich kümmere mich um die Forschung, und ich werde auch herausfinden, wer in der besagten Wohnung gewohnt hat.«
|263| »Das bringt mich auf eine Idee: Die Polizei hat in Alexandras Wohnung DN A-Spuren gefunden, die niemandem zugeordnet werden können. Da könnte Sechser doch die Wohnung, die Sie heute entdeckt haben, auch untersuchen und sehen, ob sich die DNAs gleichen.«
Johanna war wieder mit sich versöhnt, es war ein ständiges Auf und Ab ihrer Gefühle. »Leider sind Sie die ungeeignetste Person, um ihn dazu zu bewegen. Außerdem haben wir es bei der Polizei mit einer deutschen Behörde zu tun und nicht mit einem Profilerteam wie im U S-Fernsehen . Wieso sollten die losreiten, nur weil ein Student sagt, an dieser oder jener Ecke in Lorch ist das Mordopfer gesehen worden? Ermittlungen kosten Geld, die müssen angeordnet und genehmigt werden. Auch Sicherheit wird zur Privatsache wie alles hier, wo der Staat sich auflöst und seine Verantwortung in Konzernhände legt.«
»So sehen Sie das?«, fragte Thomas wieder. »Solche Sprüche höre ich sonst nur von meinem Vater.«
»Ein kluger Mann«, murmelte Johanna. »Sie haben erzählt, dass er Chef-Einkäufer eines Weinimporteurs war – für französische Weine. Falls er noch über seine alten Kontakte verfügt, kann er herausfinden, wem das Weingut Domaine Grande Vallée in Gigondas gehört. Angeblich ist es im Besitz einer Kapitalgesellschaft. Nur – wer verfügt über das Kapital?«
»Er hilft uns bestimmt. Aber Sie sehen aus, als hätten Sie noch etwas in petto.«
»Wurde bei Ihrer Hausdurchsuchung nicht eine grüne Schlegelflasche sichergestellt?«
»Ja, aber davon gibt’s viele.«
»Sie wissen, von welchem Weingut sie stammt?
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