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Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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obwohl mineralisch und salzig, war ihr zu glatt und zu voll. Die Spätlese danach war in sich gegensätzlich und doch harmonisch.
    Es erstaunte Johanna, dass sie in diesem Kreis mit den genannten Begriffen im Ohr, dem Duft in der Nase und dem Süße-Säure-Spiel im Mund gut umgehen konnte. Sie beugte sich zu Thomas, da ihr ein Gedanke durch den Kopf schoss, vom Geschmack des jetzt probierten Weins hervorgerufen, eine verblasste Erinnerung.
    »Ich erinnere mich gerade an den Namen des Weißweins, den ich in Gigondas probiert habe. Er hieß Altensteineck! Ist das der, der auch bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmt wurde?«
    |287| »Habe ich das nicht gesagt?« Thomas war ganz woanders, nickte nur kurz, ärgerlich darüber, bei einer so heiklen Angelegenheit wie einer Weinprobe gestört zu werden.
    Das empfand Johanna als ein wenig zu prätentiös für sein Alter und wandte sich wieder dem Wein zu, aber sie war jetzt unkonzentriert, sie dachte an die alte Dame in Gigondas.
    »Die eigene Zunge ist der beste Berater«, sagte der Winzer in die Irritation hinein, »ich möchte niemandem den Geschmack auf die Zunge erzählen.«
    Johanna kannte das Phänomen: Jemand sprach von grünem Apfel, und sofort schmeckte jeder grünen Apfel. Bei Kiwi war es ähnlich, gelbe Früchte – selbstverständlich, und Mirabelle? Was sonst? Ach, könnten es nicht vielmehr flora le Noten sein, gelbe Blüten, Veilchen? Vielleicht   ...
    »Riesling zeigt deutlich die Lage, auf der er wächst«, fuhr der Önologe fort, »er zeigt den Boden, seine Beschaffenheit und das Alter der Reben. Er zeigt es, wenn er durch große Mengen überfordert wird, so wie in früheren Zeiten, und auch den schlechten Jahrgang mit einer spitzen, strammen Säure.«
    Weiß Erd, Stielweg und Domdechaney folgten, Letzterer ein Wein, der gut zwanzig Jahre altern und dabei gewinnen konnte. Der Hochheimer Kirchenstück war wunderbar, Johanna merkte zwar die Unterschiede, doch sie zu beschreiben war ihr unmöglich. Die Krönung war die Hochheimer Hölle, ein Wein zwischen Alter und Jugend, zwischen Frische und Eleganz, zwischen Reife und Bewegung. Er gefiel Johanna am besten, und auch ihre Begleiter waren begeistert. Wie sollte sie nach dieser Probe heil auf die Fähre und rüber nach Bingen kommen? Oh, sie konnte über die Mainzer Brücke fahren und die Autobahn benutzen.
     
    »Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte Thomas, als sie zu den Autos gingen. Es war spät geworden, und Regine hatte sich nach einem kurzen Abschiedswort rasch davongemacht.
    |288| »Nein, es ist nichts mit mir«, antwortete Johanna.
    »Sie kennen die Technik nicht«, widersprach Thomas. »Ich habe während der Probe bereits gemerkt, dass Sie zu viel trinken.«
    »Ich ekle mich eben vor dem Ausspucken   ...«
    »Seien Sie vorsichtig, zu viel Alkohol macht krank. Wir dürfen nicht alles trinken, was wir in den Mund nehmen, obwohl es heißt, die Leber wüchse mit ihren Aufgaben.«
    »Sehr witzig.«
    »Ich nehme Sie mit, Sie können bei uns übernachten, so dürfen Sie nicht mehr ans Steuer. Regine hätte nichts dagegen.«
    »Besten Dank! Sollen wir den Gerüchten weiter Vorschub leisten? Wir haben genug Ärger. Ich nehme mir ein Hotelzimmer, in Wiesbaden   ...«
    »Da müssten Sie trotzdem fahren. Gehen Sie in die ›Rebe‹, ich bringe Sie eben hin, es ist gleich um die Ecke. Morgen früh haben Sie das Auto schon vor der Tür.«
    Johanna ließ sich überreden, Thomas’ Worte klangen nur noch besorgt und nicht mehr überheblich, der Junge war ja so vernünftig.
     
    Nach dem Ende der Vorlesungen in Bingen fuhr Johanna nach Koblenz, um sich mit dem Hausbesitzer wegen der Wohnung in Lorch zu treffen.
    »Wenn Sie mehr in Bingen sind als im Rheingau, was nützt Ihnen dann die Wohnung?« Der gemütliche Mittfünfziger schraubte an einer alten Espressomaschine herum. Eigentlich gehörte sie ins Museum, wie alles in diesem altmodischen Büro, in dem bereits der Vater Versicherungen verkauft hatte. »Klar, die Fähre kostet Zeit und Geld, und Sie müssten häufiger als jetzt übersetzen, wenn Sie in Lorch wohnen würden. Aber was geht es mich an – bei diesen Referenzen. Verbeamtet sind Sie nicht?«
    »Das wäre nichts für mich. Lehrverträge hingegen verschaffen |289| mir die nötige Bewegungs- und Meinungsfreiheit.« Johanna war dieses Thema unangenehm. Irgendwann kam es mit allen Arbeitgebern zu Differenzen, und so konnte sie rechtzeitig gehen.
    »Ab wann wäre die Wohnung frei? Ich müsste sie renovieren

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