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Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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Gigondas, Herr Kollege. Wir haben diese Weine miteinander probiert, ganz ausgezeichnet. Hat einer von Ihnen, Sie oder Herr Waller oder Vormwald, dort ein Weingut?«
    »Ich?«, sagte Marquardt. »Wieso ich? Das waren Wallers Weine. Man muss doch nicht gleich ein Weingut besitzen, wenn einem die Weine dieser Appellation zusagen.« Der Professor schüttelte erstaunt den Kopf, dann aber gewann ein Lächeln in seinem Gesicht die Oberhand. »Wenn Sie so fragen   ... Ein Weingut hätte ich da unten schon sehr gerne   ... aber – was bringt Sie zu der Vermutung?«
    Johanna ließ sich schnell eine plausible Erklärung einfallen, sie war zu voreilig gewesen. »Einer Ihrer Kollegen, ich glaube, es war Herr Florian, hat es mal beiläufig erwähnt, wenn ich mich recht erinnere.« Die Ausrede gefiel ihr. Sie würde beide gegeneinander ausspielen. Florian mit seinen Bunga-Bunga-Partys, wie Thomas sie in Anlehnung an Berlusconis Sexspiele nannte, konnte ruhig einen Denkzettel vertragen. Außerdem konnte sie behaupten, sich verhört zu haben. Bis dahin wusste Thomas’ Vater hoffentlich mehr.
    Der Hörsaal hatte sich gefüllt, Johanna entschuldigte sich damit, sich einen Platz sichern zu müssen, und ließ Marquardt stehen. Der folgte ihr nachdenklich, ging dann in sich gekehrt nach unten und setzte sich mit einem todernsten Gesicht an den Rand der zweiten Reihe, begrüßte fahrig einen Kollegen und drehte sich verstohlen nach Johanna um. Thomas und Regine saßen flüsternd im Publikum, es war klar, dass ein Thema wie die Umstellung von Betrieben auf ökologischen Weinbau ihn ganz besonders interessierte. Nur sah es nicht so aus, als würde er mit Regine gerade darüber reden.
     
    »Die Veränderung hin zu einer ganzheitlichen Methode beginnt im Kopf!«
    Der erste Satz des Redners gefiel Johanna, er traf exakt |295| ihre Einstellung. Jede Veränderung begann als innere Auseinandersetzung allem gegenüber, dem man begegnete. Auf die jeweilige Haltung kam es an, ob dem Menschen oder der Natur gegenüber.
    Diese Auseinandersetzung führte dem Redner zufolge zu einer anderen Wahrnehmung und damit auch zu einer anderen Wahrnehmung des Bodens als eines lebendigen Raums, einem komplexen Organismus. In vielen Weinbaugebieten – und nicht nur in Deutschland – war er flurberei nigt , betoniert, verdichtet und totgespritzt – als Folge der industrialisierten Produktion. Diesen Boden galt es wiederzubeleben. Er war einzigartig, so der Redner, und damit war er die Grundlage jedes Terroirgedankens, der längst seinen Weg von Frankreich hierhergefunden hatte.
    Die Erde war ein lebendiger Organismus – eigentlich eine Binsenweisheit, wie Johanna dachte   –, daher musste man ihm geben, was er benötigte, und keinesfalls alles, was nicht der Produktion oder einem direkten Ergebnis diente, mit Herbiziden und Fungiziden totspritzen. Pflanzenschutz, sagte der Referent, hieß nicht, Krieg gegen das zu führen, was man als Schaderreger ansah, sondern die Pflanzen zu stärken, ihre Abwehr, ihr Immunsystem, damit sie sich selbst wehren konnten, und dazu gehörten natürliche Düngung, Belüftung und Begrünung. Eine wesentliche Voraussetzung dazu allerdings war eine genaue Beobachtung. Aus dem Wissen folgte die Umstellung, die auf einen Teil beschränkt beginnen sollte, um Erfahrung zu sammeln und Reaktionen wie Unterschiede wahrzunehmen.
    Waren früher die ersten Ökowinzer aus der Ökologiebewegung gekommen, begleitet vom Spott über Graswurzelrevolutionäre in Wollsocken und Latzhosen, so kamen die Erneuerer heute wegen der Suche nach Qualität. Wer einen lebendigen Wein wollte, brauchte erst einmal einen lebendigen Weinberg.
    Alle Betriebe waren inzwischen beim sogenannten integrierten |296| Weinbau angelangt, was dem Düngemittelgesetz wie auch dem Pflanzenschutzgesetz entsprach, es war also nichts Neues. Neu aber war die Einbeziehung des Umfeldes der Weinberge, die Gestaltung der Umgebung, die Schaffung neuer Räume   ...
    Johanna warf einen Blick zur Seite und sah, wie Thomas aufstand und sich anschickte, den Hörsaal durch die obere Tür zu verlassen. Regina sah sich entschuldigend um, irgendwie schien sie verzweifelt.
    »...   die Flurbereinigung, die wir lange als Heilmittel zur Produktionssteigerung angesehen haben, wird mittels Hecken und Bäumen rückgängig gemacht. Mit Lebensbäumen und Nistkästen zieht wieder Leben in die Monokultur Weinberg ein. Es ist klar, dass diese Methoden nicht nur auf Gegenliebe stoßen  

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