Riesling zum Abschied
Strafprozessordnung etwas?«
»Sollte es das?«
»Allerdings. Beugehaft bis zu sechs Monaten kann bei unberechtigter Aussageverweigerung verhängt werden.«
»Probieren Sie es lieber mit Nachdenken statt mit Drohungen, Herr Kriminalhauptkommissar ...«
»Sie werden unverschämt, Herr Achenbach, wenn ...«
»Was ist denn hier los?« Regine trat atemlos zu Sechser, was ihn aus dem Konzept brachte.
»Sie kennen sich bereits«, sagte Thomas und stand auf. »Frau Regine Kirchner ist die Dritte in unserer Kommune der freien Liebe und des Alkoholismus, Sie kennen das ja. Wenn Sie mit ihr sprechen wollen, dann bitte rasch, wir müssen um acht Uhr in der FH zum BSA erscheinen.«
Der Kommissar gab sich nicht die Blöße, nach der Bedeutung der Kürzel zu fragen.
Das Wetter war schön, sie ließen Geisenheim hinter sich, was in diesem Moment für Thomas und Manuel ungeheuer befreiend und entlastend war, obwohl sie sich in einer Schlange durch Rüdesheim in Richtung Fähre quälten. Der Wochenendverkehr hatte eingesetzt. Manuel hatte das Verdeck des Cabrios zurückfahren lassen, um den Kopf frei zu bekommen. Er wirkte angespannt, er starrte geradeaus und klammerte sich ans Lenkrad.
»Soll ich fahren?«, fragte Thomas. »Dir geht’s nicht so gut?«
Manuel bremste hart, hielt am Straßenrand, stieg aus und bedeutete Thomas, auf den Fahrersitz zu rutschen. »Jetzt fahre ich also auch noch beschissen, oder was?«
»Reg dich ab.«
»Das willst du doch sagen, Thomas, dass ich schlecht fahre. Es wird dir alles zu viel mit mir, und Regine auch.«
|54| »Lass verdammt noch mal die Mitleidsnummer sein und bring deinen Arsch ins Auto. Ich bin froh, dass du mitkommst. Es ist auch dein Laden.«
Bis zur Fähre schwieg Manuel. Erst als sie ausgestiegen waren und an die Reling traten, fand er seine Sprache wieder.
»Meinst du, dass der Kommissar mich fertigmachen will?«
Thomas schaute in die Strudel neben der Fähre. Der Rhein war normalerweise die Grenze zwischen ihm, seinem neuen Leben auf dem Weingut und dem Studium. Letzteres ließ er normalerweise am rechten Ufer zurück, heute nahm er zum ersten Mal Geisenheim mit auf die andere Seite.
»Er braucht Erfolg. Sechs Tage sind seit dem Mord vergangen, sie haben keine Spur, keinen Hinweis und keine Mordwaffe ...«
»Doch, die haben sie. Ich habe sie ihnen geliefert.«
»Was hast du?« Entsetzt sah Thomas den Freund an. Er glaubte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. »Du hast was ...?«
»Nein, nein!« Manuel beschwichtigte ihn. »Nicht, was du denkst. Ich habe sie nur darauf gebracht. Wir sind zusammen in die Wohnung gefahren, und Sechser hat mich gefragt, ob in dem Apartment irgendetwas anders sei als vorher, ob es Veränderungen gegeben habe. Und mir ist aufgefallen, dass die Statue fehlt.«
»Welche Statue?«
»Na, die – die Replik vom Oscar.«
»Der für Filme und Drehbücher verliehen wird? So etwas hatte sie in ihrer Wohnung?« Thomas merkte, dass es Manuel peinlich war. »Was wollte sie damit?« Um dem Freund die Antwort zu ersparen, fand er selbst eine Erklärung. »Sie hätte zu gern einen gehabt, nicht wahr, wo sie es nicht einmal bis zur Weinkönigin geschafft hat? Und du hattest diese Figur?«
»Nein, natürlich nicht, aber ich weiß genau, wie groß sie |55| ist, sie stand neben einer Lampe, und laut Polizei kommt sie als Mordwaffe infrage.«
»Du hättest besser den Mund gehalten.«
»Wieso das?«
»Weil sie dir alles negativ auslegen, egal, was du sagst. Sechser braucht einen Täter, Geisenheim will einen, alle wollen einen, niemand will mit der Möglichkeit leben, dass ein Mörder frei herumläuft.«
»Glaubst du, dass die Leute wirklich Angst haben?«
»Die achtzig Millionen Versicherten um uns herum fürchten um ihre Nachtruhe, weniger um das Wohl ihrer Mitmenschen.«
Thomas kratzte sich am Hals; häufig hatte er mit dem Gedanken gespielt, den Bart abzurasieren, statt ihn nur kurz zu halten.
»Du hast erzählt, dass ihr, dein Vater und du, in Frankreich in einen Mordfall verwickelt wart.«
Daran erinnerte sich Thomas nur ungern. »Hautnah, ja. Wir waren mittendrin im Geschehen.«
»Sind wir das jetzt nicht?«
Thomas nahm die Angst seines Freundes immer deutlicher wahr. »Du bist es, Manuel, aber ich nicht. Was hatte ich mit Alexandra zu tun?«
»Bei mir siehst du das anders?«
»Nur dann, wenn es was gibt, das ich nicht weiß.«
»Es gibt nichts«, wiederholte Manuel mit Bestimmtheit, und Thomas glaubte ihm. Er
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