Riesling zum Abschied
dann noch gefragt, weshalb ich zu euch fahre, was wir an den Wochenenden arbeiten, wo wir sonst noch hinfahren – und ob Alexandra jemals mitgekommen ist. Er fragte nach deinem Vater, was er früher gemacht hat, über meine Eltern wollte er auch alles wissen und ob du loyal seist ...«
»Weshalb stellt er so eine Frage?«, unterbrach ihn Thomas. »Was denkt er sich dabei? Fragt er sich, ob wir den Mord zusammen begangen haben oder ob ich dich decken würde? Der Typ ist echt krass. Der soll uns in Ruhe lassen und den Mörder finden!«
Sie fuhren bei dichtem Verkehr durch eine Baustelle, die Fahrbahnen der Autobahn waren verengt, und der Fahrer vor ihnen traute sich nicht, den breiten Lastwagen zu überholen. Es gab Thomas Gelegenheit, genau zu überlegen, was er als Nächstes sagen würde.
»Würde, sollte, könnte und hätte nicht ... das sind Formulierungen, mit denen man bei den Bullen wahnsinnig vorsichtig sein muss. Am besten ist es, wenn du dich im Verhör an das hältst, was du weißt, und niemals auf ihre Mutmaßungen eingehst, auf das, was sie dir in den Mund legen und sich als möglichen Tathergang zurechtbasteln. Meide jeden Konjunktiv, er bringt dich in Teufels Küche.«
»Bin ich da nicht längst?«
|59| Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit beim Autofahren nahm Thomas den Blick kurz von der Straße und sah den Freund an. »Quatsch. Man ist da, wo man sich hineinredet.«
Weshalb Manuel jetzt schwieg, konnte Thomas nicht deuten. Er glaubte selbst nicht an das, was er eben gesagt hatte. Die Polizei schoss sich auf Manuel ein, und der schien ihm orientierungslos zu sein, er war aus dem Gleichgewicht geraten und voller Fragen, von denen sich einige nicht oder noch nicht beantworten ließen.
»...deine Erfahrungen hat keiner, und dass dir die Polizisten auf den Geist gehen, wundert mich nicht, nach dem, was du von der Champagne erzählt hast.«
»Hat Sechser nichts weiter über die Ermittlungen preisgegeben?«
»Nur dass Alexandras Wohnung voll von meinen Fingerabdrücken sei – was für ein Wunder – und dass die Nachbarn unseren Streit gehört hätten, zumindest aufgeregte Stimmen von einer Frau und einem Mann und Schritte in der Wohnung. Und als sie später wiedergekommen sind, ich war längst nicht mehr da, da hörten sie Klaviermusik. Sie meinten, dass immer wenn ich bei ihr war, Klaviermusik gespielt wurde.«
»Ist das wahr?«
»Nein, nicht immer, aber manchmal habe ich CDs mitgebracht.«
»Klassisch oder modern?« Es war Thomas neu, dass Alexandra auch bei Manuels Abwesenheit Klaviermusik gehört haben könnte. Sie stand mehr auf Popmusik und VIVA. Sie gab Begeisterung für Klassik vor, weil sie sich damit brüsten konnte, dass ihr Freund beim Festival auftreten würde.
»Der Kommissar hat mich gefragt, ob ich wüsste, wo der Oscar sei, mit dem sie erschlagen wurde. Weshalb fragt er mich das? Woher soll ich das wissen? Wenn es die Mordwaffe ist, wird der Täter sie entsorgt haben, habe ich geantwortet. |60| Da hat er mich blöd angeguckt, wie die Lehrer in der Schule, wenn sie meinten, man habe abgeschrieben. Für den Gentest haben sie mir eine Speichelprobe abgenommen, und zuletzt wollte Sechser noch wissen, ob ich Alexandras Freundinnen kenne, die Rosa Handtaschen. Sogar den Spitznamen kennt er, der hat sich überall umgehört.«
»Das ist sein Job«, sagte Thomas so gleichgültig wie möglich, um seine Besorgnis nicht zu zeigen.
Eine Viertelstunde später fuhr Thomas durch den Torbogen seines Weingutes und lächelte erleichtert. Er war Teilhaber, Mitbesitzer, wenn auch nur mit einem kleinen Anteil. Aber er trug für alles hier auch Verantwortung. Er wollte Geisenheim hinter sich lassen. Jetzt war der Wein angesagt, genau genommen waren es an diesem Wochenende die Bodenproben, und morgen käme die Breitenbach, der müsste er alles zeigen.
Sein Vater kam ihnen entgegen; er sah gut aus, braun gebrannt, er war bester Laune, und die umgebundene Schürze zeigte, dass er direkt aus der Küche kam. Freitag war ihr einziger freier Abend; es wurde gegessen, getrunken, gelacht und gefeiert. Die Arbeit begann erst Samstag früh um sechs Uhr. Aber statt auf ihn zuzugehen, beließ Philipp Achenbach es bei einem freundlichen Kopfnicken für seinen Sohn. An der Beifahrertür blieb er stehen, wartete, bis Manuel ausgestiegen war, und nahm ihn in den Arm, dann wünschte er ihm sein aufrichtiges Beileid.
Beschämt blieb Thomas am Wagen stehen und holte das Gepäck aus dem Kofferraum.
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