Riesling zum Abschied
mehr als eine große Hilfe.«
»Aber sie studieren beide noch.«
»Das ist ja das Gute«, entgegnete Philipp Achenbach. »Wenn wir samstags keine Termine haben, veranstalten wir hier«, er machte eine ausholende Bewegung, »so etwas wie ein Repetitorium. Was in der Woche in Geisenheim gelernt wurde, wird hier in Kurzform wiederholt und daraufhin geprüft, wie es unsere Arbeit verbessert, auch in Hinblick auf die Zukunft. Aber, Frau Breitenbach«, der Neuwinzer |66| nahm sie am Arm, »wir verquatschen uns. Dabei sollten wir längst im Weinberg sein. Doch ohne ein zweites Frühstück sollte man nichts anfangen!«
Eine Stunde dauerte die Tour durch die Weinberge, Johanna gewann zumindest einen Überblick. Sie lagen zum Teil zu weit auseinander, um sie ihrer Ansicht nach wirtschaftlich zu bearbeiten. Auch die Anfahrten waren zeitraubend.
»Ich würde Ihnen raten, die Flächen zusammenzulegen, um Zeit, Treibstoff, Geld und CO2 zu sparen.« Sie waren am Rand des Dorfes stehen geblieben und schauten zurück ins offene Hügelland. Für Johanna war die Natur längst in Kultur verwandelt worden, gleichförmig, monoton, die Vielfalt fehlte. Auch das Weinland war eine Produktionsmaschine, weniger ein Raum zum Leben.
Philipp Achenbach stimmte ihr zu, doch er sah Hindernisse. »Die hiesigen Winzer hängen an ihren Weinbergen, sie sind seit Generationen in Familienbesitz, und wie wollen Sie die Böden richtig oder gerecht bewerten? Wir wollen niemanden übervorteilen, aber auch selbst nicht betrogen werden. Wie vergleichen wir einen Schieferboden mit dreißig Jahre alten Weißweinreben, dazu noch in westlicher Ausrichtung, mit einem Kalkmergel, auf dem junge Dornfelderreben in Nord-Süd-Richtung wachsen?«
»Man muss die Vorteile für den jeweiligen Bewirtschafter herausarbeiten und einen Vermittler einschalten.«
»Das sagt sich leicht. Wir haben es mit Bauern zu tun. Und denken Sie daran, dass vor Kurzem bei dem entsetzlichen Hagelsturm entlang der Weinstraße nur die mit auseinanderliegenden Flächen glimpflich weggekommen sind. Wo die Flächen eng zusammenliegen, gibt es böse Verluste.«
»Nichts ist ohne Risiko. So nah kriegen Sie Ihre Flächen sowieso nicht zusammen. Man kommt nicht umhin, jede einzelne Fläche zu bewerten, und als Maßstab dienen der Marktpreis und Ihr voraussichtliches Einsparpotenzial. |67| Schaffen Sie eine Tauschbörse im Ort, da kriegen Sie die Leute zusammen, schon aus Neugier. Jeder will wissen, was der andere macht, und dann kommt der Neid hinzu, wer was kriegt und so weiter. Die Leute reden darüber. Mancher möchte gerne Zeuge sein.«
»Sie setzen auf das Niedere im Menschen?«
»Es ist nicht falsch, damit zu rechnen, Herr Achenbach. Aber sagen Sie es nicht laut, es kommt nicht gut an. Wir nutzen unseren Vorteil – oder das, was wir dafür halten, und überblicken die Folgen nicht.«
»Haben Sie sich in Geisenheim mit Bodenproben beschäftigt? Wir sind überzeugt, dass hier einige Rebsorten nicht auf den richtigen Böden stehen.«
»Ich habe davon gehört, dass Analysen gemacht werden, ja, aber ich weiß es nicht genau. Fragen Sie Ihren ... Ihre Juniorpartner«, korrigierte sich Johanna schnell. »Dafür müssten die Bodenkundler zuständig sein. Ich bin sozusagen nur Quereinsteigerin wie Sie und nur in der Umwelttechnik zu Hause. Ich kann Ihnen sagen, ob Ihre Photovoltaikanlage richtig arbeitet. Ich kann Ihnen was über Einsparpotenziale durch elektrischen Rebschnitt erzählen, vom Rapsöl für Ihren Schlepper und über die Drehzahl von Ventilatoren zur Kellerbelüftung. Aber vom Boden und vom Wein verstehe ich nichts.«
»Das glaube ich kaum. Sie trinken ihn doch, oder?«
Johanna nickte und zeigte ein verständnisvolles Lächeln. Philipp Achenbach wollte ihr sicher seine Weine vorstellen.
»Ich dachte, wir nehmen gegen Mittag einen kleinen Imbiss zu uns und besprechen am Nachmittag eine ganz andere Frage. Ich vermute, dass wir wegen der zunehmenden Hitze zukünftig untypische Rebsorten anpflanzen müssen. Weniger Grauburgunder, weniger Silvaner und Müller-Thurgau, schon gar keinen Riesling. Dem wird es bald zu heiß bei uns, dafür bleibt er dem Rheingau und der Mosel vorbehalten. Wir liefern dann die südlichen Rebsorten wie Merlot, Cabernet |68| Sauvignon und vielleicht sogar einen deutschen Tempranillo. Es gibt einen Winzer in Friedelsheim, ganz in der Nähe, Wagner-Goutorbe, der macht das bereits, seine Weine sind richtig gut. Sonst kaufen wir nur unsere Reben bei
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