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Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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interessiert nicht.«
    »Den kennt man bei Blindverkostungen sowieso nicht«, fühlte sich Waller bemüßigt einzuwerfen.
    Er erntete einen bösen Blick. »Zucker- und Säurewerte lassen sich im Labor bestimmen, aber wie beides auf der Zunge, am Gaumen wirkt, ist entscheidend. Ich möchte einen reinen Duft, ich wünsche mir Dichte, so wie bei dem hier, und dann kommen Harmonie und Eleganz. Ausgewogen muss ein Wein sein, die Tannine müssen sich mit dem Schmelz und der Süße verbinden, erst dann entsteht das, was wir Trinkgenuss nennen. Es kommt darauf an, sich die Sinneseindrücke bewusst zu machen.«
    |145| Und die entsprechenden Worte dafür zu finden, dachte Johanna, aber ihre Frage hatte Dr.   Vormwald nicht beantwortet. Er erinnerte sie an Politiker, die nie eine Frage klar beantworteten. Sie wiederholte ihre Bitte.
    »Die Einteilungen in QbA, Kabinett, in Spätlese, Auslese und Beerenauslese helfen wenig.« Wenigstens Marquardt erhörte sie. »Die Begriffe sagen lediglich etwas über den Zuckergehalt der verarbeiteten Trauben. Das war früher in Deutschland wichtig, wo wegen des kühlen Klimas die Weine selten richtig ausreiften. Aber es sagt nichts über seine Qualität. Eine Trockenbeerenauslese kann pappig sein, ohne Aroma, nur süß, ein Gutswein hingegen, die einfachste Qualität eines Weingutes, ist frisch, spritzig und aromatisch.« Er griff nach der Flasche mit einem QbA Riesling. »In so einem Wein dürfen laut Gesetz fünfzehn Prozent einer anderen Rebsorte sein, also wenn Riesling draufsteht, braucht nicht unbedingt nur Riesling in der Flasche zu sein. Deshalb sollte man wissen, bei wem man kauft.«
    »Dieser hier«, beeilte sich Waller zu sagen, »ist aber zu hundert Prozent Riesling. Bei Ersten Gewächsen können Sie wenig falsch machen«, meinte der Makler, »die gibt es leider nur im Rheingau. Drei Jahrzehnte lang hat man Werte ermittelt, die das Mostgewicht eines jeden Geländepunktes widerspiegeln, das war entscheidend für die Einstufung der Parzellen in Erste Lagen. Dann gibt es dabei keine exorbitanten Erntemengen, maximal fünfzig Hektoliter sind erlaubt. Die Lese von Hand ist ein Muss, dann finden Betriebsprüfungen statt, außerdem werden die Weine vor dem Verkauf von einer Kommission begutachtet und einer Laborkontrolle unterzogen. Erst nach bestandener Prüfung dürfen sie sich Erstes Gewächs nennen. Der Riesling darf ab September des Folgejahres verkauft werden, beim Spätburgunder muss der Winzer ein Jahr länger auf sein Geld warten.«
    »Das ist alles ein Chaos«, ließ sich der Rechtsanwalt Vormwald hören. »In den anderen Regionen heißen die |146| Weine von Ersten Lagen Große Gewächse, und dann kommen noch die Bezeichnungen Classic und Selection hinzu, da blickt keiner mehr durch. Für mich entscheidet der Name des Produzenten!«
    »Die Franzosen machen es besser.« Marquardt sah sich offenbar genötigt, in die Debatte einzugreifen. »Man kann von vornherein die Qualität einschätzen. Unten stehen die Landweine, die Vins de Pays, denen folgen die AO C-Weine mit kontrollierter Herkunftsbezeichnung, hier folgen die Ortslagen, und zuletzt kommen die Weine von Cru- und Grand-Cru-Lagen   ...«
    Johanna bemerkte, dass ihr der Wein zu Kopf stieg, sie vertrug nicht viel, sie trank wenig, ein gutes Glas verschmähte sie nie, ein zweites auch nicht, aber beim dritten passte sie meistens. Sie erinnerte sich, dass sie am Wochenende bei den Achenbachs viel mehr getrunken hatte, ohne es zu merken, aber da hatte sie sich nicht zusammenreißen müssen. Sie hatte sich so wohl gefühlt wie lange nicht. So ähnlich wird es Manuel Stern empfunden haben, dachte sie, und zum ersten Mal spürte sie etwas wie Mitleid mit ihm. Sie hatte die Erfahrung gemacht, vor langer Zeit, nach einer Sitzblockade in Mutlangen. Die Erinnerung daran war schrecklich. Beim Anblick der Flaschen in den Käfigen im geheimnisvollen Dunkel des Kellers stieg sie wieder hoch. Sie musste etwas für den Jungen tun, sie sollte Thomas unterstützen und ihm helfen.
    »Wer hat Sie eigentlich mit der Verteidigung des
glücklosen
Studenten beauftragt, Herr Vormwald?«
    »Der Vater«, beeilte sich Waller zu sagen. »Er hat bereits häufiger seine Dienste in Anspruch genommen. Ich übrigens auch, und das mit großem Erfolg, nicht wahr, Otto?«
    Der Rechtsanwalt lächelte zum ersten Mal, souverän wie jemand, der sich seiner Sache sicher war. »Wir werden den jungen Mann nicht rauspauken können, aber ich werde dafür sorgen, dass

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