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Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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Eberbach schon mal vorbeigekommen. Jetzt hoffte sie, dass ihr das Essen, Wallers Weine oder Marquardts Charme die leidige Debatte über Ökologie und Ökonomie ersparen würde. Aber Waller |152| ließ nicht locker. Kaum hatten sie sich in der getäfelten altdeutschen Gaststube niedergelassen, führte er ihr die schrecklichen Auswirkungen vor Augen, die ein Zuviel an Umweltschutz mit sich brächte.
    »Die Ökonomen sind da weiter als Sie, lieber Herr Waller.« Johanna fühlte sich auf ihrem Gebiet sicher. »Ambitionierte Klimaziele lohnen sich für die Industrieländer, denken Sie an die jüngste Studie des Fraunhofer-Instituts. Klimaschutz bremst das Wachstum gar nicht. Im Gegenteil, man schafft neue Arbeitsplätze.«
    »Die unsinnige Förderung von Solarstrom wurde von uns glücklicherweise auf ein erträgliches Maß zurückgefahren«, antwortete Waller böse. »Die Energiekonzerne haben auf unsere Kosten Traumgewinne gemacht.«
    »Sicher nicht auf Ihre, eher auf die der Steuerzahler.« Johanna wurde schärfer. »Schnee von gestern. Wir brauchen alternative Energien, sonst geht hier alles zugrunde. Falls Sie einen Fernsehapparat haben, kennen Sie die Katastrophenbilder   ...«
    »Jemand wie Sie sollte nicht auf Panikmache hereinfallen.«
    »Bitte!« Marquardt hob flehend die Hände. »Religion und Politik gehören nicht an den gedeckten Tisch. Sie können sich nach dem Kaffee von mir aus gegenseitig zerfleischen, aber bitte nicht vor dem Essen, mir verschließt sich der Magen.«
    Johanna ging gern darauf ein. Es war lächerlich, sich mit Leuten wie Waller anzulegen. Sie waren taub für jedes Argument. Es kam ihr vor, als würde sie sich mit den Reitern der Apokalypse persönlich streiten.
    »Wollen wir nicht endlich bestellen?« Auch Vormwald war an Vermittlung gelegen. »Und du, mein lieber Freund Peter, solltest dich mit dem Ober wegen der Weine arrangieren, statt dich mit unserer Frau Breitenbach anzulegen.«
    |153| Die Speisekarten lagen aufgeschlagen vor ihnen. Johannas diskreter Blick auf die Teller am Nebentisch verriet ihr, dass sie wohl hungrig nach Hause fahren würde. Folgte man hier mehr der arrangierten als einer sättigenden Küche? Wohl kaum, denn die Geisenheimer, das wusste sie, speisten hier gern nach Überreichung der Urkunden.
    Es gab Zweierlei vom heimischen Taunuswildschwein (geschmort und rosa gebraten) in einer Wacholder-Rahmsauce, dazu Williamsbirnen mit Kürbis und Schupfnudeln. Falls das nur für die Augen und nicht für den Magen angerichtet wurde, hatte sie zur Not noch das eine oder andere im Kühlschrank.
     
    Im Flur streifte sie als Erstes die Pumps ab und ließ sie gegen ihre sonstige Gewohnheit achtlos liegen. Sie tauschte das Kleid gegen ihren seidenen Morgenmantel und hängte es auf einem Kleiderbügel auf den Balkon, warf einen Blick auf die Straße und ging ins Bad, um sich das Geschwätz abzuwaschen, das an ihr klebte. Johanna trat an die Balkonbrüstung und schaute hinunter. Markus hatte sich für neun Uhr angemeldet, er war eine Viertelstunde über die Zeit. Sie war im Grunde genommen froh, dass er noch nicht aufgetaucht war, denn um die Spannung abzubauen, wäre ihr ein langes Bad willkommen gewesen, doch nass und im Bademantel wollte sie ihm nicht die Tür öffnen, Markus hätte es falsch verstehen können, und heute war ihr nicht nach seiner Liebe. Gespräche wie die heute waren fruchtlos, und es war lästig, ständig in einer Art Lauerstellung zu verharren, um sich keine Blöße zu geben, die sofort vom anderen genutzt wurde. Das hatte sie hinter sich gelassen – wie sie geglaubt hatte.
    Dummerweise hatte sie sich dann doch noch von Waller in eine blödsinnige Debatte über Wachstum und Ressourcen hineinziehen lassen. Ihrer These, dass die gesamte industrielle Welt auf dem Öl aufgebaut war, mochte er als |154| jemand, der in der Chemieindustrie sein Geld verdiente, verständlicherweise nicht folgen.
    »Eine solche These ist Ihres Alters und Ihrer Position nicht würdig, Frau Breitenbach.« Er hatte von Liberalität und Freiheit gefaselt, davon, dass man jedem die Möglichkeit lassen müsste, sein Geld auf seine Weise zu verdienen, und wer das anzweifle, gehöre sowieso nur zu den Neidern. Dann brachte er den Begriff von der »Ökodiktatur« und lächelte dabei, wohlwollend wie einem Kind gegenüber, dem man den Fehler verzeiht. Das vertrug Johanna am wenigsten.
    Ihr wurde plötzlich bewusst, dass sie das Selbstgespräch nicht mit Markus, sondern mit Carl führte, bei

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