Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
Vom Netzwerk:
und abgelaufene Ausweise mit Teenie-Fotos. Sie war schon immer eine Schönheit gewesen. Aber dass sie reiten konnte, war neu. Darüber hatte sie nie ein Wort verloren.
    Die Küche machte den Eindruck eines Fast-Food-Essers, der weder kochen kann noch will. Im Eisfach lagen zwei Pappschachteln mit Pizzen, unter den Vorräten fanden sich Trockensuppen und Dosengerichte. Wozu kochen, wenn man die Chance hatte, ins Restaurant eingeladen und gesehen zu werden? Der Mülleimer war leer, den wird die Mordkommission mitgenommen haben, vermutete Thomas und lächelte bei dem Gedanken an das, was sein Vater dazu sagen würde: »Sage mir, was du wegwirfst – und ich sage dir, wer du bist.«
    Und der Wein? Bei ihrem Studienfach hätte er eine Kollektion internationaler Weine vermuten können, Mexikaner, Thailänder, Argentinier und Israelis, auf der ganzen Welt wurde mittlerweile Wein angebaut. Es gab nur einige ausgezeichnete Rieslinge von Rheingauwinzern wie Weil und Wegeler, die Manuel sicher angeschleppt hatte, um etwas Vernünftiges zu trinken, wenn er hier nächtigte. Aber eine Flasche, wie Sechser sie aus ihrem Kühlschrank hervorgezaubert hatte, fand sich nicht.
    Nachdenklich ging er ins Wohnzimmer zurück und bemerkte jetzt die aktuellen Fotos neben der Couch. Alexandra sah als Weinprinzessin großartig aus, aber der Ärger, dass sie nur Prinzessin geworden war, hatte an ihr genagt. Neben ihr stand eine kleine unscheinbare Frau, die sie glücklich anstrahlte. Das war wohl die Mutter. Der Mann daneben, vielleicht war es ihr Vater, schaute irgendwohin. Sein Bart erinnerte ihn an den von Jürgen von der Lippe, eine ihm unangenehme Erscheinung.
    Thomas ging zurück ins Schlaf-Arbeitszimmer, durchwühlte die Schubladen, bemüht, alles so zu lassen, wie er es |138| vorgefunden hatte. Ein anderes Foto steckte in der Schreibtischunterlage. Es zeigte Alexandra, die ein Pferd am Zügel hielt. Am Halfter hing etwas wie eine Rosette, wohl ein Preis. Seitlich hinter ihr, in sicherer Entfernung der Hinterhufe, stand ein Mann, unscharf, er drehte sich im Moment der Aufnahme weg, als wollte er nicht aufs Bild kommen. Manuel war es nicht und der Vater auch nicht, aber der Mann kam Thomas bekannt vor. Irgendwann würde ihm der Name einfallen.
    Er ging noch einmal ins Wohnzimmer und betrachtete die teure Stereoanlage. Es war das gleiche Modell, das in Manuels Zimmer stand. Wenn er ihr das Teil auch bezahlt hat, fragte sich Thomas, was hat er eigentlich nicht bezahlt? Wie hat sie gelebt, bevor sie sich kennenlernten? Neben der Anlage waren Alexandras CDs gestapelt. Es handelte sich um Popmusik, Namen, die er nicht kannte, Richtungen, die ihn nicht interessierten, Rap, House und Funk, worauf er stand, waren nicht dabei, aber Manuels beziehungsweise Beethovens Klavierkonzerte, und Manuel hatte die Angewohnheit, seine CDs zu kennzeichnen. Alles, was hier an Klassik lag, gehörte ihm. Ob die Bullen wussten, was genau hier lag? Bestimmt nicht, er musste die CDs retten, sonst fielen sie womöglich Alexandras Erben in die Hände. Bei der Durchsicht erinnerte er sich an ihren Besuch beim Weingut Wegeler in Oestrich-Winkel. Einer der Urahnen der Wegelers, Franz Gerhard, war mit Beethoven befreundet gewesen, und ihren Briefwechsel, auf CD gebrannt, hatten Manuel und er sich angehört. Das hatte aus dem göttergleichen Beethoven einen Menschen gemacht, ihn vom Himmel auf die Erde geholt und die beiden Freunde auf das Weingut von Wegeler neugierig gemacht.
    Es war 1882 von einem Julius Wegeler, Geheimrat, gekauft worden, dem Sohn des Beethoven-Biographen. Mittlerweile gehörten sechzehn ganz unterschiedliche, als Erste-Gewächs-Lagen klassifizierte Weinberge dazu. Auf diese Weise |139| erzielten die Betreiber auch bei verschieden ablaufenden Reifeprozessen der einzelnen Terroirs immer bestes Traubenmaterial. Aus der Philosophie, möglichst viele Weinberge mit unterschiedlichem Terroir und Kleinklima zu vereinen, entstand der Geheimrat J.
    Er war eine Lagencuvée, ähnlich einem Bordeaux, wo der Name des Châteaus im Vordergrund steht und nicht die Parzelle. So fanden sich die Weine von Terroirs von Rüdesheim bis nach Oestrich im Duft und Geschmack dieses Weines wieder. Die Jahrgänge ähnelten sich und waren doch verschieden. Die jungen Weine zeigten sich zuerst strahlig und fest, dann wurden sie weich und duftig. Sie veränderten die Farbe von einem hellen zu einem goldenen Gelb, in den Aromen hatte Thomas Honig, reife gelbe Äpfel und Nüsse

Weitere Kostenlose Bücher