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Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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würde Regine fragen, ob sie sich die Arbeit teilen könnten.
    Er drehte sich um, er hatte den Eindruck, dass er angestarrt wurde – der Freund des Mörders. Das hörte sich beinahe wie ein Filmtitel von Chabrol an, aber er war nicht bereit, die Hauptrolle zu übernehmen, und der Titel war falsch – Manuel hatte niemanden getötet. Er war der Freund des unschuldigen Gefangenen. Aber das klang viel zu seicht, da versprach ein Titel wie »Der Graf von Monte Christo« mehr. Thomas ließ die Gabel mit dem nächsten Bissen sinken, als er sich an den Kern dieser Geschichte erinnerte.
    Ein Komplott war es gewesen, um sich den Besitz des Romanhelden Edmond Dantès anzueignen und ihm die Frau wegzunehmen. Der einzige Mensch, der sich für Manuels Geld interessiert hatte, war tot. Also ging es weder um Geld noch um die Frau. Dann blieb nur noch die Möglichkeit, |163| dass Manuel verdächtigt werden sollte, um den oder die tatsächlich Schuldigen zu decken.
    Das Essen schmeckte Thomas nicht mehr, der Gedanke an ein mögliches Komplott verleidete ihm den Appetit, und er ließ die Hälfte vom Frikassee und den Reis auf dem Teller und brachte das Tablett zum Transportband.
    Mit dem Fahrrad war er zehn Minuten später zu Hause und holte das Foto von Alexandra und dem Pferd. Mit seinem eigenen alten Auto fuhr er zu einer Drogerie nach Rüdesheim, machte an einem Automaten zwei Fotokopien davon und begab sich auf die Suche nach Reitställen.
    Er hatte in Geisenheim an der Heidestraße ein Hinweisschild auf einen Reiterladen gesehen. Die Besitzerin konnte anhand der Aufnahme nicht sagen, wo sie gemacht worden war, aber sie kannte drei Reiterhöfe in der Gegend: einen in Stephanshausen, der andere lag links auf dem Weg nach Kloster Eberbach, noch vor der neuen Kellerei, die einige »dem Roland Koch sein Weingut« nannten, weil es der Exministerpräsident mit Steuermillionen habe ausbauen lassen, um sich ein Denkmal zu setzen, während die Winzer sich Geld zu horrenden Zinsen leihen mussten.
    Auf dem dritten Reiterhof, der am weitesten von Geisenheim entfernt lag, begann Thomas mit seiner Suche. Wieso standen die Pferde in winzigen Boxen, wenn es ringsum wunderschöne Wiesen gab? Hatten die Reiter so viel Angst vor ihnen, dass sie die Pferde in engen Ställen einsperrten? Er hätte es den Haltern nicht verübelt, denn die Tiere waren riesig. Er fürchtete sich vor ihnen, vor ihren Hufen, vor ihren Zähnen und ihrer Unberechenbarkeit. Wem konnte es Spaß machen, sich da draufzusetzen, nur um im vollen Galopp wieder runterzufallen und sich den Hals zu brechen? Das war auf der B 42 einfacher zu haben.
    Am Nachmittag liefen auf den Reiterhöfen nur kleine Mädchen herum, die bereits als Zwölfjährige ähnlich blasiert wie ihre herausgeputzten Mütter herumstolzierten. |164| Zwischen kindlicher Scheu, pubertärer Überheblichkeit und Gefallsucht hin- und hergerissen, ließen sie sich zumindest dazu herab, Thomas zu sagen, dass sie eine Alexandra Lehmann nicht kannten. Aber sie kannten sowieso niemanden hier, da sie nur Augen für die Klepper hatten. Und dann hörte Thomas sie weiter mit schrillen Stimmen an den armen Pferden herummeckern, bis Mutter sie wieder in den Geländewagen steckte und zum nächsten Event brachte. Andere posierten in halbdunklen Reithallen vor einem riesigen Spiegel auf lustlosen oder bockigen Gäulen. Zu Alexandra hatte dieser Sport gepasst, bei dem weniger die Reiter als die Pferde aktiv waren. Wieso hatte sie nie ein Wort darüber fallen lassen?
    Erst am späten Nachmittag und auf dem dritten Hof wurde er fündig. Es war ein Stallknecht mit einer Schubkarre mit stinkendem Pferdemist, der sich erinnerte.
    »Sie hatte kein eigenes Pferd«, meinte er in kaum verständlichem Hessisch. »Sie hatte eine Reitbeteiligung, das heißt, sie bezahlte dafür, dass sie auf einem fremden Pferd reiten durfte.«
    Ob er wüsste, mit wem sie hier Kontakt pflegte oder wem das Pferd gehörte?
    »Nein. Ihr Freund mit dem Cabrio hat sie öfter gebracht, aber der ist spazieren gegangen, der hat nicht zugesehen.«
    Thomas zeigte dem Stallknecht die Fotokopie.
    »Ja, das ist sie, das ist das Mädel.«
    »Und der Mann, der sich wegdreht, haben Sie den mal mit ihr gesehen?«
    »Kann ich nicht sagen, aber sie war mal mit einem älteren Mann hier, vielleicht ihr Vater. Sie haben gestritten. Meistens wollen die Mädels Geld fürs eigene Pferd. Darum geht es immer.«
    »Genau wissen Sie das nicht?«
    »Was weiß man schon genau, junger Mann.

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