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Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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hielt Thomas für ausgeschlossen. Völlig hingerissen kommentierten sie die in der Zeitschrift abgebildeten Personen: selbst ernannte Weingurus, Weinblogger, Geschäftsführer von Weingrossisten und Marketingdirektoren der Kooperativen sowie die Kommentatoren der Online-Community. Genau da wollten die Handtaschen hin.
    Thomas beugte sich weiter vor. »Das schafft ihr nie!«
    Seine Stimme so nah an ihren Ohren ließ sie zusammenfahren. Sie verstanden sofort, was er meinte. »Was geht dich das an, du Weinbauer? Kümmer dich lieber um deinen Killerfreund.«
    |158| »Wenn du ein Mann wärst, hätte ich dir jetzt was auf die Glocke gehauen«, sagte Thomas kaum hörbar, und es war ihm ernst. »Was haben sie euch gezahlt?«
    Jetzt stellten Steffi und Henriette sich dumm, doch Steffi wurde rot. Sie fühlte sich ertappt.
    »Dann war das Honorar der Bild-Zeitung wohl ziemlich hoch. Spricht für dich, wenn dir so was noch peinlich ist. Das Foto mit Manuel und Alexandra haben die sicher extra bezahlt. Vorher war sie eure Freundin, und nach ihrem Tod schlachtet ihr sie aus und verbreitet Gerüchte. Ihr helft mit, dass ein Unschuldiger verdächtigt wird. Ihr seid widerlich, aber kein Kopf ist zu klein, als dass nicht noch irgendein Scheiß reinpasst.«
    »Echt krass, wie du uns hier anmachst. Du profitierst doch auch davon, du Spinner. Du fährst jetzt seinen Wagen; damit kannst du Manuel ja im Knast besuchen.« Sie sahen sich an und kicherten dümmlich. Dann wurde Henriette rabiat.
    »Kannst du nicht von hier verschwinden? Merkst du nicht, dass du störst?« Wieder lachten sie und blickten sich um. Die Studenten in ihrer Nähe schauten peinlich berührt weg.
    »Warum wollt ihr Manuel im Knast sehen? Weil ihr neidisch seid? Weil ihr an ihn nicht rangekommen seid?«
    Steffi, die rechts saß, machte eine wegwerfende Geste. »So einen würde ich nicht geschenkt nehmen. Und mit ’nem Mörder als Freund würde ich mich hier gar nicht mehr blicken lassen. Zisch endlich ab. Die Vorlesung hat angefangen, nicht einmal das raffst du.«
    Thomas wurde von allen Seiten angestarrt, auch der Dozent signalisierte mit Schweigen, dass er auf Ruhe wartete, um seine Vorlesung über Mikrobiologie zu beginnen. An diesem Kurs hatten sie alle teilgenommen, die Handtaschen genau wie Thomas’ WG.   Heute war BSA ihr Thema, der biologische Säureabbau, auch Malolaktische Fermentation genannt, MLF, ihr Thema. Dieses sogenannte Kernmodul |159| war sowohl für die Studenten der Önologie wie auch für die der Internationalen Weinwirtschaft ein Pflichtfach.
    »
Il n’y a pas des grands vins sans la fermentation malolactique
«. Louis Pasteur war um 1870 darauf gekommen, dass es keinen großen Wein ohne die malolaktische Gärung geben könne. Diesem biologischen Säureabbau sollte man die beiden Handtaschen auch mal unterziehen, dachte Thomas, einer Wandlung der scharfen Apfelsäure in die weichere Milchsäure, so ätzend wie sie waren. Dann wären sie vielleicht irgendwann zu gebrauchen, nach entsprechend langer Reifezeit – am besten im Keller. Thomas starrte der vor ihm sitzenden hennagefärbten Henriette in den Nacken. Die Malo, wie sie untereinander zum BSA sagten, konnte man nach der alkoholischen Gärung künstlich durch die Zugabe von Bakterien einleiten. Das Ergebnis war ein reiferer Wein mit mehr Fülle, man brauchte weniger Schwefel, da die Nebenprodukte der Gärung verringert wurden, und besonders Rotweine gewannen eine mikrobiologische Stabilität. Ein Nachteil ergab sich bei flachen, schwachen Weinen mit hohem Anteil an Apfelsäure, wenn die Trauben nicht richtig reif waren. Weißwein schmeckte breit, man nahm eine Note von Sauerkraut wahr, andere, unerwünschte Aromen kamen hinzu, und Rotweine konnten die Farbe verlieren.
    Thomas hörte dem Dozenten nicht zu, stattdessen fragte er sich, zu welcher Reaktion der BSA bei den Handtaschen führen würde. Normalerweise setzte dieser Prozess bei einem durchgegorenen Wein von allein ein, wenn im Frühjahr die Temperatur anstieg und die Bakterien bei zweiundzwanzig Grad munter wurden. Man sollte die beiden vor ihm, die zwanghaft nach vorn blickten, nach Mallorca schicken, da war es warm, und entsprechende Bakterien gab es im Ballermann sicher reichlich. Ob allerdings der gewünschte Bakterienstamm
Oenococcus oeni
dort grassierte, hielt er für fraglich. Seine Gedanken waren hässlich, aber in diesen Tagen war die ganze Welt für ihn hässlich.
    |160| Wollte man einen Weißwein frisch halten und

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