Riesling zum Abschied
Weshalb wollen Sie das alles wissen?«
|165| In diesem Moment kam Thomas die Idee für eine Strategie. Man brauchte, um den Fuchs zu fangen, einen Köder, und den würde er selbst abgeben.
»Dieses Mädchen wurde ermordet. Vielleicht haben Sie es gelesen. Die Polizei hat einen Unschuldigen eingesperrt und sucht nicht weiter. Der wahre Mörder hat ihr den falschen präsentiert. Und wir glauben zu wissen, wer der Mörder ist, deshalb tragen wir noch letzte Beweise zusammen.«
»Ah, so ist das«, sagte der Pferdeknecht. »Ja, das verstehe ich. Sind Sie Detektiv?«
»Richtig.« Thomas kam die Lüge lächelnd über die Lippen, und heiligte nicht der Zweck die Mittel? »Gut erkannt.«
»Sind Sie dafür nicht etwas jung?«
»Ich arbeite für ein Detektivbüro – in Frankfurt – mein Chef ist natürlich älter.«
Das leuchtete dem Knecht ein, die kurz aufflammende Skepsis legte sich, und er war bereit, die Mistgabel, auf die er sich gestützt hatte, beiseite zu legen. Er gab Thomas seine Mobilnummer.
»Ich soll Sie anrufen, wenn ich etwas von den Pferdehaltern erfahre?«
Thomas gab ihm die Fotokopie. »Zeigen Sie das Bild überall herum und fragen Sie, ob jemand das Mädchen und den Mann kennt.«
»Zahlen Sie auch für Informationen?«
Der Pferdeknecht hatte Sinn fürs Praktische.
»Das kommt darauf an.« Ein Blick in die Brieftasche zeigte Thomas lediglich einen Zwanzig-Euro-Schein. Er musste noch tanken, aber er gab dem Knecht den Schein. »Als Anzahlung. Hundert Euro, wenn was dabei rauskommt.« Er biss die Zähne zusammen. An Manuels Geld würde er sich nicht vergreifen. Dieser Monat versprach ziemlich knapp zu werden.
Auf dem Heimweg sah er sich ein Stück vorangekommen. Die Idee mit der kurz bevorstehenden Aufklärung hielt er |166| für blendend. Der Pferdeknecht wollte Geld verdienen, er würde reden, und irgendwann würde das Gerücht den Weg zum Mörder finden. Der würde auf jeden Fall versuchen, an ihn ranzukommen. Wie es dann weiterging, würde man sehen. Sorgen machte er sich nicht. Dass er sich in Gefahr bringen könnte, war beabsichtigt, aber er erzählte besser weder seinem Vater noch Frau Breitenbach davon. Sie würden es für zu gefährlich halten.
Siedend heiß fiel ihm ein, dass er die Bodenproben noch immer nicht abgegeben hatte. Am Nachmittag stand irgendwas mit Kellertechnik auf dem Stundenplan, aber die Bodenproben waren wichtiger, er musste dem »Chef« am Wochenende Rede und Antwort stehen, und er freute sich sogar darauf. War bei den Bodenkundlern um diese Zeit noch jemand in den Labors? War es nicht sinnvoller, die Tüten morgen früh abzugeben? Für den Kurs zur Kellerbuchführung, eine Tätigkeit, die ihm wenig lag, war es mittlerweile zu spät. Mit dem elektronischen Kellerbuch hatte er sich bereits während der Lehre vertraut gemacht, und auf ihrem Gut gehörte es zur täglichen Praxis. Außerdem machte es genug Mühe, das Studium für seinen Vater zu protokollieren, um ihm seinen Fernkurs, wie er es nannte, zu ermöglichen.
Jede Überquerung des Rheins mit der Fähre war für Thomas ein Erlebnis. Er genoss die Schiffspartie zweimal in der Woche – montags etwas weniger, wenn er aus der Pfalz kam und sich beeilen musste, um rechtzeitig bei der ersten Nachmittagsvorlesung zu erscheinen. Am Freitag hingegen war das Vergnügen größer, denn dann freute er sich, nach Hause zu kommen. Aber die heutige Überquerung sah er lediglich als notwendige Ausnahme, heute war Mittwoch, und er würde mit der letzten Fähre zurückkehren müssen. Er stieg aus dem Wagen, ging zur Reling und schaute ins Wasser. Beim Betrachten des Spiegelbildes der Rüdesheimer Weinberge lächelte er. Das waren Momente, die er liebte.
|167| Die beiden Männer neben ihm hatten dafür kein Auge. Sie sprachen von der Nutzlosigkeit der Zeitersparnis, die der Bau der Loreley-Brücke ihnen zukünftig bringen würde.
»... aber die Baukonzerne verdienen daran«, meinte der Ältere der beiden. »Wie beim Hochmoselübergang. Niemand bis auf die Konzerne und die Politiker brauchen ihn, aber er verschandelt das mittlere Moseltal.«
Thomas trat näher. »Wieso brauchen die Politiker die Brücke?«, fragte er. »Was nutzt ihnen die?«
»Ach, junger Mann«, sagte der Ältere wieder, »wenn sie nicht direkt bestochen werden und ihr Geld im Ausland erhalten, kriegt es hier die Partei als Spende, und die ist steuerlich absetzbar. Indirekt bezahlt der Konzern den Wahlkampf, und die Politiker sichern ihre Jobs in der
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