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Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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mal da?«
    »Mehrmals«, sagte Johanna, und sie erinnerte sich gern daran. »Ich liebe Florenz, ich liebe die Uffizien, ich liebe es, auf dem Ponte Vecchio zu stehen, die Leute flanieren zu sehen, sie haben gute Laune, sind chic angezogen, ich höre gern Italienisch und genieße den Sonnenuntergang über dem Arno. Ein schöneres Licht als in der Toskana gibt es kaum.«
    »Aber hier geht es um Weingüter. Die Bilder gefallen mir, besonders die Porträts der Winzer.« Thomas war mehr an den Gesichtern interessiert als an den Kellereien. »Solche Bilder sollten wir von uns irgendwann auch machen lassen.«
    »Kein Problem«, meinte Johanna. »Ich mache Sie mit dem Fotografen bekannt.«
    »Sie kennen ihn?«
    »Mein Mann kennt ihn, er heißt Gatow, Frank Gatow, |178| wenn er nicht mit der Kamera durch Weinberge schnürt, hilft er seiner Frau auf ihrem Weingut bei Brolio. Wenn Sie wollen   ...«
    »Waren Sie mal da?«
    »Leider nein, der Fotograf hat uns in Stuttgart besucht.«
    Das mit den Fotos habe Zeit, sagte Thomas, bis man das Weingut vorzeigen könnte. »Aber es ist gut zu wissen, wen man fragen kann, wenn wir so weit sind. Man bringt uns in Geisenheim zwar auch einiges über die Präsentation von Weingütern bei, wir machen Prospekte, wir drehen Videos, man zeigt uns, wie man sich den Medien gegenüber darstellt, was man bei einem Interview redet und so weiter, aber Profis sind viel besser – wie dieser hier. Ich finde es toll, wie er Menschen fotografiert, man erfährt etwas von ihnen. Da fällt mir was anderes ein. Ich habe gehört, dass es immer schwieriger wird, eine Tat aufzuklären, je länger sie zurückliegt, so heißt es.«
    Johanna sah das weniger eng. »Für die Polizei mag das stimmen, uns hingegen kann der Zeitfaktor helfen. Je mehr Zeit vergeht, desto sicherer fühlt sich der Mörder, er wird unvorsichtig und begeht Fehler. Aber wir wissen ja eigentlich gar nichts.« Sollte sie über den Verdacht sprechen, den sie seit jenem Mittagessen in der Mensa hegte? Dass sie sich den Namen des unsympathischen Kollegen, der auffälliges Interesse an Alexandra gezeigt hatte, nicht merken konnte, wertete sie fast als Indiz.
    Es war mittlerweile zehn Uhr geworden, Thomas stand auf. »Ich will los, ich weiß nicht, wie lange die Fähren verkehren. Vielleicht kommt Regine auch mal wieder nach Hause. Wir müssten reden.«
    »Sie beteiligt sich bestimmt dabei, Ihren Freund über das Studium auf dem Laufenden zu halten.«
    Zu Johannas Erstaunen zuckte Thomas Achenbach mit den Achseln, er suchte nach Worten und wirkte sogar ein wenig hilflos, das war neu.
    |179| »Sie hat einen Freund«, stieß er hervor.
    Die Art, wie er es gesagt hatte, ließ Johanna schmunzeln. »Was ist daran ungewöhnlich?« Es hörte sich beinahe so an, als hätte die Studentin Verrat begangen.
    »Für Regine ist das ungewöhnlich. Sie hat bislang einen Bogen um die Kerle gemacht. Wir dachten immer, dass das mit ihrem Vater zusammenhängt; er ist ein weltfremder Typ, streng und altmodisch – reaktionär würde mein Vater dazu sagen, ein Chauvinist. Bloß nichts Neues einführen, das ist seine Devise. Vielleicht ist er ja – dumm? Aber Regine nicht. Sie schläft kaum noch zu Hause, sie zieht sich anders an, plötzlich nimmt sie Lippenstift und dreht sich dauernd vor dem Spiegel   ...«
    »Könnte sie die Liebe entdeckt haben?«
    »Wie romantisch. Nein!« Thomas sagte das mit so viel Überzeugung, dass Johanna aufhorchte. Dieses Nein gefiel ihr nicht, es war zu absolut. Arbeitete er auf diese Weise das Defizit in seinem Leben ab, oder war seine unversöhnliche Art dem Umstand zuzuschreiben, dass er ohne Mutter aufgewachsen war? Sein Vater war verbindlicher, ihr hatte die Selbstverständlichkeit im Umgang mit seiner Freundin gefallen, Johanna war fast ein wenig neidisch geworden. War Thomas auf Regine eifersüchtig? Alles, was sie über Alexandra erfahren hatte, wusste sie von Thomas. Sie war ihm im Weg gewesen. Zuerst Alexandra   ... jetzt der Freund von Regine   ... Johanna gewann das Gefühl, dass er die WG und sein Weingut als seine Gemeinschaft ansah, er war der Hund, der die Schafe zusammenhalten musste.
    »Wenn Regine ihn lieben würde, hätte sie ihn mitgebracht und uns vorgestellt. Unsere WG ist so wie unser Weingut: Jeder kann kommen, jeder ist willkommen, wenn   ... wenn   ... wenn er sich einbringt, wenn sie oder er mitmacht und nichts zerstört, ach, was weiß ich. Sie versteckt ihn, ganz klar, weil irgendwas nicht

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