Riesling zum Abschied
schütten sie über ihr Dreck aus, und du trägst das weiter?«
»Hör auf, mich mit reinzuziehen. Immer suchst du einen Schuldigen. Ich habe keinem was gesagt, nur dir. Mit wem |239| die Handtaschen außer mir darüber geredet haben, weiß ich natürlich nicht.«
Thomas lief um den Küchentisch. Mit Florian stimmte doch was nicht. Er würde ihn weiter beobachten müssen, er musste wissen, was er tat und mit wem er sich traf. Das alles sah ihm nach einer gezielten Rufmordkampagne aus, die sich gegen Johanna und gegen ihn richtete. Dahinter stand Florian. Was hatte er mit Alexandra zu tun gehabt, wo war die Verbindung?
»Ich bleibe heute hier«, sagte Regine in die Stille hinein. »Soll ich uns was zu essen machen?«
Zuerst wollte Thomas ablehnen, aber dann dachte er, dass ein gemeinsames Abendessen sie wieder zusammenbringen würde, und vielleicht hatte Regine noch mehr zu erzählen. Von Thorsten und seiner Eifersucht, von seinen Weinen zum Beispiel, oder was an der FH sonst noch an Gerüchten kursierte. Es war zu spät, heute noch nach Frankfurt zu fahren, um Florian zu beschatten. Er müsste ihm wie neulich nach Ende seiner Vorlesung folgen. Alles, was er bisher herausgefunden hatte, war, dass er sich mit Marquardt und Waller getroffen hatte, woraufhin sie gemeinsam zu einer Parteiveranstaltung gefahren waren. Das Thema des Treffens hatte er nicht ermitteln können. In solchen Kreisen wurde derart viel gekungelt, geschoben und gemauschelt, dass es alles hätte sein können, aber nichts, was unbedingt mit Alexandra zu tun haben musste. War es erfolgversprechender, wenn er sich vor der Wohnung der Handtaschen auf die Lauer legte und sich mit ihrem Leben beschäftigte?
»Soll ich was kochen?«, fragte Regine. »Ich habe zwei Rumpsteaks gekauft, schön mit Zwiebeln ...«
»Diene ich als Lückenbüßer, weil Thorsten heute nicht will – oder kann?«
»Nein, du dienst als kleinkarierter Scheißer, und ich würde dir die Steaks an den Kopf werfen, wenn ich dich |240| nicht besser kennen würde. Hast du nicht zugehört? Ich habe ihm abgesagt. Ich wollte heute hier sein. Außerdem hatten wir Krach. Ich lasse mich von niemandem mehr rumkommandieren, weder von ihm noch von meinem Vater – und auch nicht von dir. Ich gehe nach dem Studium nach Australien und arbeite dort auf irgendeinem Weingut, am besten so weit weg wie möglich.«
»Das fände ich schade«, meinte Thomas versöhnlich. »Komm erst mal mit in die Pfalz, und dann sehen wir uns in der Nähe nach guten Weingütern um, wo man lernen und gleichzeitig Geld verdienen kann. Gut ausgebildete Önologinnen sind gesucht. Ganz bei uns in der Nähe ...«
Es war spät geworden. Bis Mitternacht hatte Thomas mit Regine am Küchentisch gesessen und ihr von seinen Bemühungen erzählt, mehr über Alexandras Lebensumstände zu erfahren und sich an mögliche Hintergründe für den Mord heranzutasten. Den Besuch in ihrer Wohnung hatte er genau so verschwiegen wie die Verfolgung Florians. Danach war Manuels miserabler Zustand ihr Thema, seine Labilität, seine Schwäche und mangelnde Widerstandskraft.
Als Regine eine Flasche aus dem Weinregal nehmen wollte, wunderte sie sich über vier Erste Gewächse von Schloss Schönborn.
»Hast du zu viel Geld? Die waren nicht billig.«
»Betriebsausgaben. Das soll ein Versuch werden, ich bin bei der Hektik noch nicht dazu gekommen. Ich werde die Weine öffnen, sie bleiben auf der Fensterbank, da verändern sie sich schneller, und ich beobachte und protokolliere ihre Entwicklung. Eine Woche sollen sie sich halten, wenn sie so gut sind, wie es heißt. Ein Wein, der nach einem oder zwei Tagen bereits den Geist beziehungsweise sein Aroma aufgibt, taugt nichts.«
»Darf ich mitmachen?«
|241| »Ich habe gehofft, dass du mich das fragst.« Der Ärger darüber, dass sie ihre WG im Stich gelassen hatte, verflüch tigte sich. Er wollte sich nicht selbst das Vergnügen an seinem Experiment nehmen, und sie machten sich ans Entkorken der Ersten Gewächse. Achtunddreißig Einzellagen auf fünfzig Hektar verteilt gehörten zum Domänenweingut Schloss Schönborn. Vor sich hatten sie vier davon, und jeweils die besten mit sehr unterschiedlichen Böden: Der Rüdesheimer Berg Schlossberg wirkte frisch, wiesenhaft und leicht, etwas grasig, Thomas meinte, gelbe Pflaume zu riechen, Regine war mehr für Quitte zu haben. Dass dieser Wein vom letzten Jahr bereits jetzt seine Ecken und Kanten verlor, sprach für die Qualität.
Der Hochheimer
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