Riesling zum Abschied
Der Staatsanwalt hatte daraufhin in seinem Büro nachgefragt, wozu er nicht verpflichtet war, worauf die Sekretärin erklärt hatte, dass Vormwald in der Schweiz sei, sie könne ihn nicht erreichen, und er komme erst am nächsten Tag zurück. In seinem Terminkalender sei der Termin nicht vermerkt. Deshalb habe Manuel selbst seine Verteidigung übernommen, was total in die Hose gegangen sei. Zu seiner Entlastung habe er nichts Neues vorgebracht, er habe lediglich immer wieder beteuert, dass er unschuldig sei und keinen Grund gehabt habe, Alexandra umzubringen. Den beschlagnahmten Wein habe er nie zuvor gesehen, das könnten seine Mitbewohner bezeugen, und niemand wisse, wie der Wein in die Wohnung gekommen sei. Das gelte auch für die bei ihm gefundenen Unterlagen.
»Hat ihm jemand geglaubt?«, fragte Regine, die entsetzt zugehört hatte.
»Natürlich nicht. Man entscheidet nach Verfahrensregeln und Paragraphen. Da es keine entlastenden Argumente gab, |237| sah die Staatsanwaltschaft auch keine Veranlassung, nach einem anderen Täter zu suchen. Es gibt nichts, was Manuel entlastet. Sie haben ihn wieder nach Weiterstadt gebracht«, schloss Thomas trocken.
»Und ein neuer Haftprüfungstermin?«
»Frühestens nach weiteren zwei oder drei Monaten U-Haft und bei Erkenntnissen, die ihn entlasten könnten.«
Regine hielt sich sprachlos die Hand vor den Mund und sah Thomas an. Dann ließ sie die Hand sinken.
»Und was sagt Vormwald dazu?«
»Er hat völlig ungerührt argumentiert, dass es Manuels Schuld sei. Wäre er nicht vorgeprescht, dann wäre der Termin zwar geplatzt, er aber hätte wenig später einen neuen ansetzen können. Seiner Meinung nach hat Manuel alles verdorben. So habe ich das verstanden. Und jetzt bearbeitet er Manuel, damit er ein Geständnis ablegt, damit Vormwald auf Totschlag im Affekt plädieren kann. Eine ›saubere Lösung‹ nennt er das. Das war von Anfang an seine Absicht. Mindestens fünf Jahre gibt’s dafür. Und wenn Manuel sich gut führe, könnten es auch weniger werden.«
»So redet er sich raus? Weshalb ist er nicht gekommen?«
»Darauf hat er nicht geantwortet. Ihm wird was anderes wichtiger gewesen sein. Ich glaube ihm nicht, dass sein Büro den Termin vergessen hat, das kann ich mir nicht vorstellen – bei einem Mord.«
»Würde das bedeuten, dass Manuel absichtlich zugeschlagen hat, wie du vorhin meintest?«
»Was weiß ich? Vormwalds Worte klingeln mir noch in den Ohren. Er geht mit dem Fall so gleichgültig um, als wäre bereits ein Urteil gesprochen. Ich finde das infam. Manuel mag einen Fehler gemacht haben, aber er hätte ihn auf den Termin vorbereiten müssen.«
Regine begriff langsam die Tragweite dessen, was Thomas durchblicken lassen wollte. »Wieso macht er das, wenn er sogar mit Manuels Vater bekannt ist?«
|238| Thomas hatte als Antwort nichts als ein Kopfschütteln.
»Wie steht Manuels Vater dazu?«
»Das ist ein unergründlicher Mensch. Er lebt hinter einer Mauer, so kalt, so unnahbar, wie er sich gibt. Der hat darüber geredet, als wäre Manuel ein Problem, das gelöst werden müsste, und nicht, als wäre er sein Sohn. Sein Kommentar war ähnlich wie der von Vormwald, ich hab nur kurz mit ihm telefoniert, er hatte kaum dafür Zeit, er sagte zum Schluss, dass er sich lieber die Version des Anwalts anhören würde als meine ...«
»Wieso nimmt Manuel sich keinen anderen Anwalt?«
»Das wird er tun. Mein Vater ist gerade dabei und ...«
Regine lachte laut auf. »Schon wieder einer dieser Überväter? Sie werden’s für uns richten, die Väter. Da fällt mir noch was anderes ein«, sagte sie, und das Lachen erstarb, »das ist auch über die Handtaschen von Florian gekommen.«
»Was haben die dauernd mit Florian zu tun?«
»Später, erst einmal das: Frau Breitenbach hat früher bei einem Consultingunternehmen gearbeitet, das für – so wie ich es verstanden habe – ökologisch fragwürdige Projekte Expertisen ausgestellt hat. Sie war dafür zuständig, die Projektbeschreibung so hinzubiegen, dass die Umweltauflagen oder Gesetze erfüllt wurden.«
»Und was heißt das?« Thomas verstand nicht, worauf Regine hinauswollte.
»Das weiß ich auch nicht. Die Handtaschen jedenfalls meinten, dass man ihr nicht trauen darf, sie sei falsch. Hier bei uns spielt sie die Umweltschützerin, macht auf Öko, erzählt uns, wie man seine CO 2-Bilanz senkt, in Wirklichkeit arbeite sie für die Industrie.«
»Worauf soll denn das wieder hinauslaufen? Jetzt
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