Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)
falsche Alarmrufe eingehen würden.
Das Child Rescue Alert war nach amerikanischem Vorbild organisiert und diente dazu, die Beschreibungen vermisster oder entführter Kinder schnell und landesweit zu verbreiten. Das System umfasste SMS, soziale Netzwerke, Nachrichtenseiten und Beschreibungen auf Reklametafeln an der Autobahn. Meist gingen Tausende von Hinweisen ein, die alle überprüft werden mussten. Dennoch war es eine wertvolle Quelle, wie geschaffen für die aktuelle Situation.
»Wir müssen auch die Häfen alarmieren«, sagte Grace. »Niemand verlässt in Begleitung eines Jungen das Land, bevor wir ihn überprüft haben. Wir müssen alle verfügbaren Kräfte einsetzen. Wir müssen dieses Schwein finden, und zwar schnell, bevor er dem Jungen etwas antun kann.«
Grace hängte ein und wandte sich wieder an Branson.
»Gut, du leitest das Team für die Ermittlungen. Chief Superintendent Barrington meldet sich gleich bei dir, aber vorher musst du noch drei Dinge erledigen.«
»Ja?«
»Du musst den Computer des Jungen besorgen – ich gehe mal davon aus, dass er einen hat – und in die High Tech Crime Unit bringen. Findet heraus, mit wem er gemailt und auf Facebook gechattet hat und so weiter.«
Branson nickte.
»Zweitens, ihr müsst das Haus, den Garten und die unmittelbare Nachbarschaft gründlich absuchen. Dazu die Häuser seiner Freunde. Vielleicht kannst du ein paar Nachbarn als freiwillige Helfer gewinnen.«
»Geht klar.«
»Drittens, ihr müsst die Praxis und die Schule im Auge behalten. Sonst blamiere ich mich, wenn der Junge gesund und munter wieder auftaucht.«
»Kapiert, aber das wird nicht passieren. Nicht nach dem, was seine Mutter gesagt hat.«
»Diesmal würde ich mich gern blamieren.«
Sein Kollege nickte und stand auf. Er wusste genau, was Roy Grace meinte.
Als sich die Tür geschlossen hatte, nahm Grace das Handbuch für Entführungsfälle aus dem Regal und legte es auf den Tisch. Bevor er es aufschlug, machte er sich noch einige Notizen und saß dann schweigend da. Seine Sekretärin Eleanor Hodgson rief an und erkundigte sich, ob er den Entwurf seiner Presseerklärung überarbeitet habe.
Das hatte er in der Panik der vergangenen Minuten völlig vergessen. Er sagte, er werde ihn wegen der neuesten Entwicklungen völlig umschreiben und die Pressekonferenz um eine halbe Stunde verschieben müssen.
Er machte sich große Sorgen um den Jungen. Wenn das der Mann war, der Preece und Ferguson getötet hatte, dann war er ein Sadist. Man konnte nicht wissen, was er sich für Tyler Chase ausgedacht hatte, und Grace musste sich ganz darauf konzentrieren, den Jungen aus seiner Gewalt zu befreien. Dreißig Minuten waren vergangen. Inzwischen konnten sie überall sein. Andererseits war ein Taxi auffällig. Ebenso ein Mann und ein Junge – vor allem wenn Tyler noch seine Schuluniform trug.
Eine tiefe, dunkle Angst überkam ihn. Es war nicht seine Schuld, aber er trug trotzdem die Verantwortung dafür, Carly und ihre Familie zu beschützen, und war wütend auf sich selbst, weil die Entführung hatte geschehen können.
Immerhin konnte das Timing der Pressekonferenz kaum besser sein. Innerhalb der nächsten Stunde würden der Child Rescue Alert , Presse und Medien landesweit über den entführten Jungen berichten.
Er griff nach dem Telefon und tätigte den Anruf, vor dem ihm graute.
Assistant Chief Constable Peter Rigg meldete sich gleich beim ersten Klingeln.
88
CARLY GING IN IHREM HOTELZIMMER UMHER. Es war, als befände sie sich in einem schwarzen Abgrund des Schreckens. Tränen liefen ihr übers Gesicht, sie sehnte sich verzweifelt nach England zurück. Ihre Gedanken rasten, ihr war körperlich schlecht.
Wie hatte sie nur so verdammt dumm sein und ihn schutzlos zurücklassen können? Warum nur hatte sie nicht gründlicher nachgedacht, bevor sie diese schwachsinnige Reise unternommen hatte?
Hatte sie etwas vergessen? Gab es eine einfache Erklärung für das Taxi? Hatte sie im Chaos der vergangenen Wochen irgendetwas übersehen? Sie bestellte häufig Taxis, wenn sie nicht aus dem Büro wegkonnte. Hatte sie noch einen zweiten Termin für Tyler vereinbart? Aber wo? Oder hatte sie das Taxi doch schon vor Wochen bestellt und vergessen? Oder hatte es den falschen Jungen abgeholt? Das könnte sein, eine Verwechslung in der Schule!
Sie spürte eine vorübergehende Erleichterung.
Natürlich klammerte sie sich an Strohhalme.
Sie versuchte, den Anblick von Fernanda Revere zu vergessen. Die Bilder
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