Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)
Gemälde, die für ihn keinen Sinn ergaben. Mit Kunst konnte Tooth nichts anfangen.
Der Mann streckte ihm eine fleischige Hand mit glitzernden Ringen entgegen. »Mr Tooth? Ricky Giordino. Ich hoffe, Sie hatten eine gute Reise.«
Tooth berührte nur kurz die klamme Hand des Mannes und ließ sie so schnell los, als handelte es sich um ein verwesendes Nagetier. Er schüttelte nicht gern Leuten die Hand. An Händen waren Bazillen.
»Die Reise war in Ordnung.«
»Kann ich Ihnen etwas anbieten? Whisky? Wodka? Ein Glas Wein? Wir haben alles da.«
»Ich trinke nicht bei der Arbeit.«
Das Lächeln verschwand aus Rickys Gesicht und wich einem verlegenen Glotzen. »Ein Wasser vielleicht?«
»Ich habe im Auto Wasser getrunken.«
»Toll. Super.« Ricky inspizierte seine Zigarre und zog mehrfach daran, um sie am Brennen zu halten. »Möchten Sie vielleicht etwas essen?«
»Ich habe im Flugzeug gegessen.«
»Der Fraß ist nicht gerade eine Delikatesse, was?«
»Es war in Ordnung.«
Nach fünf Militärexpeditionen, bei denen er sich hinter den feindlichen Linien manchmal tagelang von Käfern, Nagetieren und Beeren ernährt hatte, erschien ihm alles, was sich auf einem Teller oder in einer Schüssel befand, als essbar. Er würde niemals ein Feinschmecker werden. Mit schickem Essen hatte er nichts am Hut.
»Gut, alles bestens. Möchten Sie Ihre Tasche abstellen?«
»Nein.«
»Dann kommen Sie mit.«
Mit der Tasche in der Hand folgte ihm Tooth durch einen Korridor, der mit einem eleganten antiken Tisch ausgestattet war, auf dem verzierte chinesische Vasen standen. Der Mann betrat ein Wohnzimmer, das ihn an die Halle eines englischen Schlosses erinnerte, die er mal in einem Film gesehen hatte. Auf dem Sofa saß eine Schlampe in dunkelblauem Wildlederdress und rauchte eine Zigarette. Neben ihr stand ein überquellender Aschenbecher, und ihr gegenüber saß ein Loser, der sich einen Haufen Idioten anschaute, die Football spielten.
Riskiere ich etwa für solche Arschlöcher mein Leben? Damit die in ihren schicken Häusern sitzen und mit ihren teuren Handys telefonieren und sich auf einem Großbildschirm irgendwelche Schwachköpfe ansehen können, die einem Ball hinterherrennen?
Ricky holte rasch den braunen Umschlag, schob Tooth zurück durch den Korridor in die Halle und führte ihn eine Treppe hinunter in den Keller. Am Ende der Treppe hing ein abstraktes Gemälde, mannshoch, das mit den Fotos sonderbarer Gesichter bedeckt war. Sein Interesse erwachte.
»Das ist etwas Besonderes«, sagte der Mann. »Ein Santlofer. Einer der kommenden amerikanischen Maler. Wenn Sie das jetzt kaufen, zahlen Sie dreißig Riesen. In zehn Jahren eine Million. Die Reveres sind bedeutende Mäzene. Meine Schwester und mein Schwager suchen immer nach neuen Talenten. Man muss die Kunst unterstützen. Mäzene, Sie wissen schon?«
Auf Tooth wirkte das Bild wie einer der Zerrspiegel, die man auf der Kirmes sieht. Er folgte dem Mann durch einen gewaltigen Billardraum, in dem der Tisch beinahe verloren wirkte. In einer Ecke gab es eine Bar mit Lederhockern und einem Weinkühlschrank mit Glastür.
Der Mann sog wieder an seiner Zigarre, und eine graue Rauchwolke verhüllte sein Gesicht.
»Meine Schwester ist ganz schön durcheinander. Hat ihren jüngsten Sohn verloren. Hat sehr an ihm gehangen. Das müssen Sie verstehen.«
Tooth sagte nichts.
»Spielen Sie Billard?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Bowling?«
Der Mann bedeutete, er solle ihm folgen, und ging ins Nebenzimmer. Jetzt war Tooth richtig beeindruckt. Vor ihm befand sich eine Bowlingbahn in Originalgröße. Der Holzboden war poliert und makellos sauber. Die Bälle warteten im Return. Die Wand neben der Bahn war mit einer Fototapete beklebt, die gefüllte Bücherregale zeigte.
»Spielen Sie?«
Statt zu antworten, wählte Tooth einen Ball aus und steckte die Finger in die Bohrungen. Dann schaute er die Bahn entlang und sah, dass alle Pins an Ort und Stelle standen.
»Na los, viel Spaß«, sagte der Mann.
Tooth trug nicht die richtigen Schuhe, also lief er vorsichtig an und ließ die Kugel rollen. In der Stille des Kellers rumpelte sie wie ferner Donner und traf den vorderen Pin wie geplant knapp neben der Mitte, was die erwünschte Wirkung zeigte. Alle zehn Pins fielen sofort um.
»Toller Wurf! Wirklich, nicht übel!«
Der Mann paffte wieder an seiner Zigarre, blies die Wangen auf und stieß den dichten Rauch aus. Er drückte den Reset-Knopf und sah zu, wie die mechanische Halterung
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