Riley - Die Geisterjägerin - Noël, A: Riley - Die Geisterjägerin - N.N. 3 (nach "Radiance" - The Riley Series)
gegenüber an den Tag legte.
Und solange ich ein kleines, mageres, flachbrüstiges zwölfjähriges Mädchen blieb, würde sich mir gegenüber niemals jemand so verhalten.
Solange ich in diesem Zustand blieb, würde mir nie ein Junge Gedichte vorlesen.
Kein Junge würde mir jemals eine Blüte ins Haar stecken.
Und plötzlich erschütterte mich ein Gedanke, der mich noch vor sechs Monaten überhaupt nicht berührt hätte, derart, dass ich am ganzen Körper zitterte. Buttercup spürte meine Stimmung und fühlte mit mir. Er warf seinen Kopf zurück und stieß ein lang gezogenes, trauriges Heulen aus.
»Psst, Buttercup!«, zischte ich, aber es war zu spät. Jasmine hatte mich bereits entdeckt, und kurz darauf sah Bodhi auf und bemerkte mich ebenfalls. Er rief meinen Namen, und seine Stimme klang überrascht, aber es lag auch ein deutlicher Anflug von Zorn darin.
Anstatt ihm zu antworten, rannte ich los und zog den widerspenstigen Buttercup hinter mir her.
Hastig verließen wir die Lichtung.
Und rannten vorbei an Bächen, die sich in Flüsse verwandelten, und an Flüssen, die zu Seen wurden. Wir liefen durch den Wald und über weite Felder hinein in eine Stadt, in der überall hohe Glasbauten standen.
Wir rannten, bis wir beide völlig erschöpft waren und nicht mehr weiterkonnten – bis wir uns daran erinnerten, dass es viel leichter war zu fliegen, als zu laufen.
Ich schwang mich in die Höhe, so weit ich konnte. Und dann noch ein Stück höher. Buttercup segelte neben mir durch die Luft. Seine Ohren flatterten, seine Lefzen verzogen sich, so dass es aussah, als würde er grinsen. Aber während mein Hund den Flug genoss, bestand mein einziges Ziel darin zu fliehen. In meinem Kopf drehte sich alles, und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als all die Bilder von Bodhi und Jasmine auslöschen zu können.
Ich wollte nur noch dieses schreckliche Gefühl der Verzweiflung loswerden, das in mir hochgestiegen war.
Und obwohl ich wusste, dass ich es nicht tun sollte, obwohl man mir gesagt hatte, dass es streng verboten war, und obwohl ich deshalb schon mehrmals in Schwierigkeiten geraten war, konnte mich nichts davon abhalten, dem Aussichtsraum einen Besuch abzustatten.
Ich musste meine Schwester Ever sehen. Musste einen Weg finden, bei ihr zu sein, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Ich glaubte, dass ich mich dann besser fühlen würde.
Und ich dachte daran, was der große Rat mir gesagt hatte:
Nimm dir frei.
Verbring Zeit mit deiner Familie.
Besuch deine Freunde.
Das war genau die Entschuldigung die ich brauchte, als ich vor der Tür anhielt, sie aufstieß und hineinging.
SECHS
I n dem Moment, in dem ich das lila und orangefarbene Hawaiihemd wahrnahm (dasselbe, das er beim letzten Mal getragen hatte, aber wer war ich schon, darüber zu urteilen?), kombiniert mit den karierten Bermuda-Shorts, den schwarzen Socken und den schwarzen Schuhen, da war ich mir sicher, dass das Schicksal war.
Vorsehung.
Kismet.
Warum sonst würde Mort direkt vor mir stehen? Mort, der Mann, mit dem das alles begonnen hatte, der Mann, der mir als Erster von dem Ort erzählt hatte, wo alle Träume stattfanden.
Warum sollte ich ihm sonst zum zweiten Mal begegnen?
Gerade als ich mich fragte, ob er mich wiedererkennen würde, drehte er sich zu mir um und lächelte mich an. »Hallo Neuling!«
Neuling ?
Ich blinzelte, nicht sicher, wie ich das verstehen sollte. Zuerst dachte ich, es sei eine Anspielung auf mein Alter,
doch dann begriff ich, dass es sich auf mein Glühen bezog.
Ich glühte grün, er gelb. Also war er eindeutig schon länger hier als ich. Man konnte es ihm ganz leicht ansehen.
Ich erwiderte sein Lächeln und warf verstohlen einen Blick über seine Schulter, um mich nach dem Freund umzuschauen, der ihn bei unserer letzten Begegnung begleitet hatte – der Freund, der gezögert hatte, mir mehr zu verraten. Und, wie das Schicksal es wollte, war er nicht da. Und das deutete ich als ein weiteres gutes Zeichen.
»Und, hast du es gefunden?«, erkundigte sich Mort und rückte in der Schlange vor, als eine Kabine frei wurde und der Wartende vor ihm hineinging.
Ich schüttelte den Kopf und achtete sorgfältig darauf, leiser als üblich zu sprechen. »Zumindest noch nicht.«
Mort musterte mich, und seine beiden buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen, bis sie einer Raupe glichen, die sich erschöpft auf seiner Stirn niedergelassen hatte.
»Können Sie mir vielleicht helfen? Oder mir vielleicht zeigen, wo es ist? Ich meine,
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