Riley Jenson 01 - Die Mondjägerin
dem vorbeikommenden Kellner ein Bier ab. Anstatt es gleich zu trinken, drückte ich die eiskalte Flasche an meine Stirn.
Misha setze sich mir gegenüber. »Frag mich.« Seine silberfarbenen Augen verrieten nichts. »Erklär mir, wieso vor einem Jahr eine Akte mit dem Namen Genoveve-Süßwaren auf deinem Schreibtisch gelegen hat.« »Ich habe mit dem Gedanken gespielt, die Firma zu kaufen.« Er hob eine blasse Augenbraue. »Du hast ein sehr gutes Gedächtnis.« »In Anbetracht der Umstände geradezu außerordentlich.«
Das Lächeln, das seine Lippen umspielte, stand im Gegensatz zu seinem eisigen Blick. »Und hast du?«, fragte ich weiter, als er nichts mehr sagte. »Nein.« »Wer dann?« »Konane.« »Dieselbe Firma, der auch Moneisha gehört?« »Ja.«Ich schnippte den Verschluss von der Bierflasche und trank einen großen Schluck, bevor ich fragte: »Wem gehört denn Konane?«
Er lächelte. »Versuch es mit einer anderen Frage.« Seine Miene verriet, dass er es mir später sagen würde. Ich fragte mich, mit wie vielen Stunden ich dafür »bezahlen« musste, bevor er damit herausrückte. »Also was haben Schokolade und Forschung miteinander zu tun?« »Vielleicht hat der Eigentümer nur sein Portfolio erweitert.« Die Art, wie er das sagte, ließ mich aufhorchen. »Das glaubst du aber nicht.« »Nein.« »Warum nicht?«
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und musterte mich eine Weile arrogant und amüsiert. »Weil der Besitzer von Konane und ich gemeinsame Interessen haben und früher Geschäftspartner gewesen sind.« Ich zwang mich zu lächeln. »Du hast mir nie erzählt, dass du dich für Schokolade interessierst.«
Er wirkte kühl und abweisend. Ich hatte das merkwürdige Gefühl, dass dieser Mann, der mich heute Nacht so grob genommen hatte, der wahre Misha war. Der Misha, der sich mir in den letzten zwölf Monaten gezeigt hatte, war nur Mittel zum Zweck. Noch wusste ich nicht, zu welchem Zweck, hatte jedoch das Gefühl, dass ich das dringend herausfinden sollte.
Ich senkte meine Schutzschilder und versuchte, seine Gedanken zu lesen. Ich war nicht überrascht, als ich gegen eine Wand stieß. Sie war allerdings nicht elektrisch. Sein Schutzschild war genauso natürlich wie meiner und ebenso stark. Ich trank noch einen Schluck Bier und widerstand dem Drang, einfach abzuhauen. Ich hatte eine Aufgabe zu erledigen, und außerdem brannte der Mond in mir.
»Uns hat nicht die Schokolade interessiert, sondern dass Genoveve angeblich auf einer ehemaligen Militäranlage steht.«
Passten die Pläne in Alan Browns Büro vielleicht zu dem Gelände, auf dem Genoveve stand? Wahrscheinlich. »Ich habe wohl gelesen, dass man in und um Melbourne herum Tunnel und Waffenlager aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt hat, aber ich habe nie von größeren Anlagen gehört.«
»Bevor man sie ausgegraben hat, hat auch niemand von den Tunneln gewusst. Alle Pläne sind angeblich nach dem Krieg zerstört worden, und die meisten Tunnel hat man zubetoniert.«
Wenn die Pläne zerstört worden waren, wie war Alan Brown dann an sie herangekommen? Wieso hatte er sie nicht vernichtet? Ich leerte mein Bier und schob die Flasche weg. »Wieso glaubst du, dass sich tatsächlich irgendwelche Anlagen unter Genoveve befinden?«
»Weil ich mit dem Mann gesprochen habe, der den Eingang entdeckt hat. Es ist der Besitzer von Konane.« »Wieso übt ein altes Militärgelände eine solche Faszination auf dich und den Besitzer von Konane aus?« »Die Suche nach Perfektion findet nicht immer die Zustimmung der Regierung. Deshalb forscht man besser im Verborgenen.«
O Gott … Sagte er tatsächlich das, was ich dachte?
Er lächelte. »Ich bin nicht an Genoveve beteiligt oder habe irgendetwas mit der Forschung an nichtmenschlichen Klonen zu tun, falls du das denkst.« »Ich weiß nicht, ob ich dir glauben kann.« »Ich schwöre bei dem Leben meiner Mutter. Ich habe dich heute Abend kein einziges Mal angelogen.«
Vielleicht nicht angelogen, aber hatte er mir die ganze Wahrheit erzählt? Wohl nicht. »Du hast also absolut nichts mit den Klonen zu tun?« Er wirkte amüsiert. »Ich habe nichts mit den aktuellen Klonversuchen zu tun. Ehrlich gesagt sehe ich keinen Sinn darin. Bis wir die Komplexität der Schöpfung absolut verstanden haben, ist das Klonen immer nur etwas Unvollkommenes.« »Man kann etwas nur begreifen, indem man es erforscht.«
»Stimmt, aber momentan zahlt man bei dieser Forschung nur drauf. Wie versuchen die Menschen, sich zu klonen? Und
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