Riley Jenson 03 - Der Gefähfrte der Wölfin
Schlaf war wohl das Letzte, woran sie im Moment dachte. Ihre Miene war finster. Sie war wütend und schien in der Stimmung zu sein, jemanden zu verprügeln. Als sie mir in die Augen blickte, sah ich, dass dieser jemand offenbar ich war. Ich blieb abrupt stehen und fragte mich, was zum Teufel ich getan hatte. Abgesehen davon natürlich, dass ich ihnen den Hintern versohlt hatte. Doch bevor ich sie fragen konnte, spürte ich einen Schmerz.
Einen heftigen, überwältigenden Schmerz, der mich wie eine Keule traf, der mich in die Knie zwang und mir die Luft raubte. Es war nicht mein Schmerz. Es war Rhoans Schmerz.
14
Ich hatte so etwas noch nie erlebt. Der Schmerz war echt und doch wieder nicht. Er brannte wie Feuer bis in die letzten Nervenspitzen, hielt aber nur für ein, zwei Augenblicke an. Meine Glieder zitterten plötzlich vor Schwäche. Es war, als hätte mir der Schmerz meine ganze Kraft genommen. Vieleicht waren es auch nicht meine eigenen Schmerzen. Vieleicht brauchte Rhoan meine Kraft, weil ihn seine eigene verließ. Wir hatten so etwas bislang nicht für möglich gehalten, weil wir nicht in der Lage waren, Gedanken auszutauschen.
Und bis jetzt hatten wir auch noch nie Schmerzen miteinander geteilt. Obwohl wir genau spürten, wenn der andere emotional oder körperlich verletzt war, und wir immer in der Lage waren, uns gegenseitig zu finden. Eine Fähigkeit, die uns geholfen hatte, die letzten Monate zu überstehen. Wenn ich jetzt auf einmal solche Empfindungen hatte, steckte Rhoan in Schwierigkeiten. Es musste um Leben und Tod gehen.
Von jetzt auf gleich wurde ich von unbeschreiblicher Panik ergriffen. Mir blieb die Luft weg. Ich wusste nicht, was mit ihm los war, aber ich musste es herausfinden. Ich atmete tief durch und stand mit zittrigen Beinen auf. Doch nur, damit mein Nacken in einem Schraubstock gefangen und mein Rücken brutal gegen die Wand gestoßen wurde.
»Du hast uns verraten, stimmt’s?« Bernas wutverzerrtes Gesicht war dicht vor meinem. Ihr Körper bebte vor Erregung. »Wir haben dir vertraut, und du hast uns verraten.« Solange sie mich so fest hielt, dass Atmen ein Luxus war, konnte sie lange auf eine Antwort warten. Ich packte ihre Hand, bog ihre Finger von meinem Hals und stieß sie zurück. Ich sah ihren Augen an, dass sie überrascht war. Obwohl ich sie beide geschlagen hatte, ahnte Berna offenbar immer noch nicht, wie stark ich wirklich war.
»Wovon zum Teufel sprichst du?« Ich rieb mir den Nacken und unterdrückte den Drang wegzulaufen, um meinem Bruder zu helfen. Irgendetwas anderes war offenbar schiefgelaufen. Ich musste wissen, was das war. »Nerida hat versucht, Merle umzubringen. Aber er war darauf vorbereitet. Er hat damit gerechnet. Du hast ihn gewarnt.«
Dass die Küche in die Luft geflogen und der Strom ausgefallen war, hatte absolut nichts damit zu tun. Die zwei mochten vieleicht gute Ringer sein, aber die Hellsten waren sie nicht. Sie waren keine Schnelldenker. Ich schüttelte missbilligend den Kopf. »Lass mich raten. Ihr habt Merle wie einen normalen Gegner behandelt, hab ich recht?« »Er ist ein normaler Gegner, auch wenn er ein Mischling ist.«
Berna machte einen Schritt nach vorn, hatte ihre riesigen Pranken erhoben und war bereit, jederzeit zuzuschlagen. Ich hob warnend einen Finger. »Denk nicht mal dran, Berna. Ich breche dir das Genick. Und wer rettet dann diese dumme Fuchsschlampe?« »In einem fairen Kampf mache ich dich fertig, Werwolf.« Ich schnaubte leise. »Du hast keine Chance, Berna, genauso wenig wie Nerida eine Chance hatte.« »Ein Mischling, der nicht gewarnt ist, ist einem Fuchswandler grundsätzlich unterlegen. Das ist der Lauf der Dinge. Vollblüter sind stärker und schneller, vor allem wenn der Mischling zur Hälfte auch noch ein Mensch ist.«
»Das wäre richtig, wenn wir es mit einem normalen Mischling zu tun hätten. Aber im Fall von Moss und Merle sieht die Sache anders aus. Sie sind genetisch gesehen Menschen, denen die DNA von verschiedenen anderen Rassen implantiert wurde. Sie sind absolut nicht normal.« Sie blinzelte. »Was heißt das?« »Ich habe euch gewarnt, dass es hier um mehr geht. Starr ist nicht nur der Anführer eines der gefährlichsten Kartelle in Melbourne, er ist auch der Leiter eines Labors, das seit vielen Generationen mit DNA herumexperimentiert.« Bernas Augen wurden rund, als ihr die Bedeutung meiner Worte bewusst wurde. »Hast du tatsächlich geglaubt, dass diese geflügelten Dinger ein Naturprodukt wären?
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