Riley Jenson 03 - Der Gefähfrte der Wölfin
versuchte, nicht in Panik zu geraten. In seiner Haut steckte kein silbernes Messer, ich konnte auch keine Schusswunde entdecken, doch das hatte nichts zu sagen. Ein Splitter unter der Haut eines Werwolfs reicht, um ihn zu töten. »Rhoan, wo ist es?« »Hintern.« Er gab ein raues Geräusch von sich, das entfernt an ein Lachen erinnerte. »Ein Witz.«
Einer, den ich nicht gleich verstand. Ich drehte mich um und fuhr mit der Hand über sein Hinterteil. Nachdem ich selbst einmal von einer Silberkugel angeschossen worden war, war meine Haut äußerst sensibel für das Edelmetall geworden. Wenn es unter seiner Haut steckte, würde ich es spüren. In der Mitte seiner linken Pobacke begannen meine Finger zu brennen. Dort steckte ein daumenlanger, hauchdünner Silberdraht. Er lag zu tief, als dass ich ihn mit den Fingern herausziehen konnte.
»Hol … ihn raus«, keuchte er. »Meine Dinger werden taub.« Jetzt hatte ich den sogenannten Witz verstanden. Silber tötet Werwölfe, indem es ihre Muskeln und Nerven lahmlegt. Irgendwann können sie den Körper vor Schmerzen nicht mehr bewegen, bekommen keine Luft mehr und ersticken langsam und qualvoll.
Ich war einmal in den Arm geschossen worden. Damals hatte sich die Taubheit sehr schnell bis in meine Finger und meinen Hals ausgebreitet. Die Kugel war rechtzeitig entfernt worden, so dass kein bleibender Schaden entstanden war, aber mein Arm hatte kurzzeitig auf dem Spiel gestanden. Rhoan war in den Hintern geschossen worden, deshalb verlor er das Gefühl dort und an seinen Genitalien.. Er lief Gefahr, etwas zu verlieren, das für einen Werwolf viel wichtiger war als nur ein Arm.
Es war krank, und dafür würden diese Mistkerle sterben. Ich berührte Rhoans Wange und sprach mit ihm. »Ich muss mich in einen Wolf verwandeln und dich beißen.« Er nickte schwach. »Mach zu.«
Ich sah mich noch einmal kurz zu den Männern um. Sie achteten immer noch nicht auf uns, also rief ich den Wolf, der in mir schlummerte. Ich spürte, wie die Kraft durch meinen Körper strömte, bis ich zum Wolf geworden war. Ich leckte das Gesicht meines Bruders – eine überflüssige Geste, die mich vermutlich mehr tröstete als ihn – und ließ den Blick seinen Körper hinuntergleiten. Als Wolf spürte ich die Hitze, die von dem Silberdraht ausging, noch deutlicher. Er schien durch die Haut hindurchzuschimmern, so dass ich die Stele genau sehen konnte.
Ohne weiter darüber nachzudenken, fletschte ich die Zähne und grub sie in seine Haut. Der Geschmack von Fleisch und Blut strömte in meinen Mund, schnell gefolgt von dem Feuer des Silbers. Ich schloss meine Zähne um den Draht und zog. Ich spürte, wie Rhoan zusammenzuckte und sich versteifte. Sein Keuchen drückte den Schmerz aus, den er empfinden musste und der meinen ganzen Kopf vibrieren ließ. Ich wandte mich ab und spuckte Blut und Haut aus. Doch der Geschmack blieb, und auf einmal musste ich unwillkürlich würgen.
»Was zum Teufel war das?«, fragte einer der Männer in der Fahrerkabine. Irgendwie fand Rhoan die Kraft, eine Hand über meine Schnauze zu legen und mir den Mund zuzuhalten. Mir stieg die Galle hoch, aber ich schaffte es, sie wieder hinunterzuschlucken. Mein Körper zitterte beinahe so heftig wie der von Rhoan, und ich war nicht sicher, ob seine Hand auf meiner Schnauze das Unglück verhindern konnte.
»Was war was?« Die zweite Stimme klang schroff und gelangweilt. »Da war ein Geräusch. Als würde jemand husten und sich übergeben.« »Wahrscheinlich unser Passagier. Mach dir keine Sorgen, mit den ganzen Brüchen geht der nirgendwohin.« »Nur in das Landlabor.«
Beide lachten. Ich zitterte vor Erleichterung. Rhoan ließ mich los, und als ich hinunterblickte, sah ich den goldenen Schleier der Verwandlung über seinen geschundenen Körper flirren. Während er begann, seine Wunden zu heilen, verschwand der Schmerz aus meinem Kopf. Er blieb nicht lange in Wolfsgestalt, was schwer war angesichts der Heftigkeit des Schmerzes und der Wunden, aber die Rückverwandlung half noch etwas mehr bei der Heilung. Ich nahm ebenfalls wieder meine menschliche Gestalt an, ergriff seine Hand und wartete. Ich hatte keine Ahnung, wie lange es gedauert hatte, bis die Abteilung kam. Wahrscheinlich nur ein paar Minuten, aber es kam mir ewig vor, bis der Lastwagen endlich scheppernd zum Stehen kam. Es gab keinen Kampf. Der LKW blieb einfach stehen, und die zwei Männer in der Fahrerkabine verstummten.
Dann wurde die hintere Klappe geöffnet, und
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