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Rimbaud und die Dinge des Herzens: Roman (German Edition)

Rimbaud und die Dinge des Herzens: Roman (German Edition)

Titel: Rimbaud und die Dinge des Herzens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Benchetrit
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Schüler ein Buch geschenkt. Ich musste so tun, als hätte ich mich getäuscht und es wäre jemand anderes gewesen … Wie peinlich das war!«
    Es ist unheimlich, aber ich kann mich darauf verlassen, dass meine Mutter mich niemals verrät. Unsere Angelegenheiten regeln wir unter uns.
    »Charles … Woher hast du dieses Buch?«
    »Ich habe es gestohlen.«
    »Wie bitte?«
    »Ich habe es gestohlen.«
    »Wo denn das?«
    »Bei
Carrefour

    Meine Mutter verzog das Gesicht. Wenn sie einen Kinnhaken verpasst bekommen hätte – es hätte nicht schlimmer ausgesehen. Ich hasse es, meiner Mutter weh zu tun. Ich will immer nur, dass sie glücklich ist, will sie das ganze Leben lang stolz machen.
    »Charly … Weshalb nur … Du brauchst doch nicht zu stehlen … Vor allem kein Buch …«
    »Ich wollte dir ein Geschenk machen.«
    »Glaubst du wirklich, du machst mir ein Geschenk, indem du stiehlst?«
    Ich bin wirklich der größte Lügner, den man sich denken kann. Am schlimmsten aber ist, dass ich weitermache, wenn man mir auf die Schliche gekommen ist. Ich hatte dieses Buch nicht gestohlen, um es zu verschenken, ich hatte das andere haben wollen, das über die armen Vorstadtkinder, und das hätte ich auch mitgenommen, wäre ich nicht so ein kleiner Zwerg.
    Meine Mutter stand auf, es wirkte, als würde sie eine Tonne wiegen, vor Gram. Sie ging in ihr Schlafzimmerund schloss sich dort ein; das Buch ließ sie auf dem Tisch liegen.
    Ich blieb ratlos zurück. Ich hätte den Fernseher einschalten können, hatte aber irgendwie das Gefühl, dass das jetzt nicht angebracht wäre.
    Es dauerte zwei Stunden. In der Zwischenzeit kam Henry nach Hause. Er setzte sich zu mir ins Wohnzimmer.
    »Was ist passiert?«
    »Ich hab ein Buch geklaut.«
    »Was für ein Buch?«
    »Das da.«
    Ich deutete auf das Buch auf dem Tisch, und Henry staunte.
    »Ein Buch über Blumen! Mannomann, Charline …«
    Mein Bruder nennt mich Charline und tut so, als wäre ich ein Mädchen, wenn er mich ärgern will. Das ist ein alter Trick von ihm.
    »Ich wollte Maman ein Geschenk machen.«
    »Wo ist sie?«
    »In ihrem Zimmer.«
    Henry ging wieder, und ich wusste nicht einmal, weshalb er gekommen war. An manchen Tagen kommt er achttausend Mal nach Hause und verschwindet gleich darauf wieder. Er holt sich irgendwas aus unserem Zimmer und haut dann ab.
    Nach fünf Stunden tauchte meine Mutter aus ihrem Zimmer auf und suchte nach mir. Ich war froh, michnicht vom Fleck gerührt zu haben, es war bestimmt gut, dass ich aktiv an dem Drama teilhatte. Meine Mutter fragte mich, ob ich Hunger hätte, und ich sagte, nein, keinen großen – dabei knurrte mein Magen wie verrückt. Sie wollte, dass ich trotzdem etwas esse.
    Ich folgte ihr in die Küche, und wir saßen einander gegenüber und aßen. Sie sagte nichts und würdigte mich keines Blickes. Ich hasse es, wenn sie das tut. Es ist so eine Macht, die sie über mich hat. Mir ist es lieber, wenn sie in ihrem Zimmer bleibt. Dann sehe ich sie nicht und kann mir immer noch einreden, sie tut irgendwas und hat mir schon halb vergeben.
    Als ich spürte, dass mir gleich die Tränen kommen würden, habe ich mich einfach gehenlassen. Ich habe sogar noch ein wenig nachgeholfen. Wenn ich will, kann ich mich auch beherrschen, vor Henry oder vor meinen Kumpels, aber in dem Fall war es besser, dass alles rauskam. Die erste Träne tropfte, das war die schwerste. Normalerweise ergießt sich danach ein wahrer Wasserfall.
    Ich flennte also hemmungslos, während meine Mutter eine Zeitlang versuchte, standhaft zu bleiben und mich zu ignorieren. Ich schaute sie an. Ich wollte, dass sie mich ansah und dass sie mich in die Arme nahm. Also versuchte ich es mit meinem Zauberspruch:
    »Maman … Ich flehe dich an …«
    Sie erhob sich und kam auf mich zu. Sie streichelte mir über den Kopf und drückte mich an ihre Brust.
    »Schon gut, Charly … schon gut …«
    Sie trocknete mir die Tränen, und es ist komisch, aber wenn man geweint hat, ist es immer ein bisschen wie im Schwimmbad, hinterher hat man Hunger, und nichts hat mehr denselben Geschmack.
    »Wirst du auch nicht mehr stehlen?«
    »Nein, Maman.«
    »Wenn du ein Buch möchtest, wirst du es mir sagen, und ich kaufe es dir dann.«
    »Okay.«
    »Nach dem Essen bringen wir das über die Blumen zurück.«
    »Was?«
    Meine Mutter bestand darauf, dass wir das Buch zu
Carrefour
zurückbrachten. Beinahe hätte ich wieder angefangen zu heulen, weil ich mir vorstellte, wie ich dem Typ von der Security das

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