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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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nach Coras Klavierauszug. Sie hatte die entsprechende Passage bereits aufgeschlagen. Er warf ihr einen dankbar-flüchtigen Seitenblick zu. »Alberich singt: Denn höres die Flut: So verfluch ich die Liebe! Diese prallen Pfundnoten, die sich da aneinander hochreiben: Das ist wirklich die auskomponierte Maximalerektion. « Er wischte mit dem Handrücken über das Papier. »Und ich meine – was da anschließend in der Musik passiert, dieser Blechbläserschwall, wenn Alberich mit dem Gold davonstürzt – das ist nichts anderes als ein völlig verzweifelter Ersatzorgasmus.«
    Der Regisseur lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »So, Rheintöchter, jetzt laßt euch was einfallen. Benutzt die Schaukeln. Benutzt eure Körper. Ihr müßt die Männer aufgeilen, daß sie winseln. Na, macht mal. Ich will was sehen.«
    Alexander Raven atmete tief aus und begann, einen neuen Kaugummi zu kneten. Ohne die Augen von der Szenerie zu wenden, beugte er sich zu Cora hinüber. »Hast du irgendwas gefunden, was wichtig ist?«
    »Ichweiß nicht recht, ich glaube, wirsollten das ganze
einmal in Ruhe sortieren. Die Chose ist ziemlich chaotisch. Die Grundabläufe sind mir einigermaßen klar. Bei den Feinheiten wirds dunkler. Kannst du dich zum Beispiel erinnern, daß Floßhilde Alberich in die Nase beißt? Nein? Ich nämlich auch nicht. Also entweder haben die damals heimlich weiterprobiert, oder hinter Floß. bßt. Alb. i. Ns . verbirgt sich was anderes. – Du rauchstnicht mehr?«
    Cora hielt dem Regisseur ihre Schachtel hin. Einen halben Wimpernschlag lang blitzten seine Augen auf das Päckchen. »Äh wie ? Äh nein.«
    Die Dramaturgin steckte sich eine Zigarette an und zuckte die Achseln. Nachdenklich betrachtete sie das gelbe RAUCHEN-VERBOTEN-Schild am anderen Ende des Raums. In der alten Probebühne hatte kein derartiges Schild gehangen. Cora fragte sich, ob es der gesamtgesellschaftlichen Rauch-Hysterie der letzten Jahre geschuldet war, oder ob hier die gebrannte Oper den Qualm scheute.
    Die drei Sängerinnen schaukelten sich Mut an. Immer höher flogen sie in den sachlichen Neonhimmel.
    »Alexander, Alexander, schau mal!« Anna Santner hatte ihre Skrupel abgestreift und schwang mit gespreizten Beinen durch den unsichtbaren Rhein. »Alexander, ist das gut so?«
    Der Regisseur wiegte skeptisch den Kopf. »Ne, Anna, das seh ich nicht. Aber was du davormit deinen Armen gemacht hast, das war unheimlich schön. Behalte das. Ja, und versuch doch mal, dich ein bißchen seitlicher zu setzen, so à la Damensattel. Genau. Und laß die Beine zusammen. Vergiß nicht, bauchnabelabwärts bist du Fisch. Ihrkriegt auch noch Probenkostüme. «Alexander
Ravens Blick suchte Reginald, der neben dem jungen polnischen Sänger stand. Beide verfolgten das Damenturnen mit Argwohn.
    »Reginald, hast du mitbekommen, wir brauchen unbedingt die Probenschwänze für die Rheintöchter. Am besten gleich heute nachmittag. Du kümmerst dich bittedarum, ja?«
    Der Assistent eilte zu seinem Platz und machte eine Notiz in seinem gelben Buch.
    Cora merkte, daß sie schläfrig wurde. Irgend etwas stimmte nicht in einer Kultur, in der Nixen zu mythischen Sexsymbolen aufgestiegen waren. Sollte es wirklich das höchste der Gefühle sein, einen Fisch zu vögeln? Wo lag der Reiz bei einem Liebesspiel, das mit Schuppenschwanz endete? Andersens Lösung, die kleine Meerjungfrau ihre Stimme gegen einen gespaltenen Unterkörper eintauschen zu lassen, leuchtete ihr noch ein. Was abererhofften sich Wagners Mannen von den Rheintöchtern, an denen sie abperlten wie Wassertropfen? Um dies zu verstehen, mußte man wohl tatsächlich Entsagungsmetaphysiker sein. Oder Masochist. Cora gähnte. Vielleicht war es aber auch gar nicht so kompliziert. Vielleicht waren wackere Germanen einfach besonders scharf auf französischen Sex.
    Die Nixendressur hatte Fortschritte gemacht. »Elisabeth! Elisabeth«, rief der Regisseur, »lehn dich noch ein bißchen weiter zurück, und versuch mal, dich nur mit einem Arm festzuhalten. Geht das? Ja, so gefällt es mir schon viel besser.« Sein Blick jagte hinter den Brillengläsern hin und her. »Großartig Helga, jawohl. Hol dem Seil einen runter. Genau. Leck es ab. Aber ganz langsam. Kannst du die Zunge noch weiter rausstrecken. Ja,
phantastisch.« Der Regisseur lachte zufrieden. Er klatschte in die Hände. »Meint ihr, ihr seid so weit, daß wir die Musik dazunehmen können?« Die Damen nickten.
    »Bitte, Herr, Herr – «, wandte er sich an den Mann am

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