Ringkampf: Roman (German Edition)
hob trotzig ihr Glas. »Verdiene meinen Gnadenschnaps als Nachtpförtnerin.«
Die Dramaturgin schüttelte den Kopf. »Immer noch der gute Kirsch?«
»Sicher. Meine Leber hat sich daran gewöhnt. Bei was anderem würde die auf der Stelle zerfallen. Wenn so n armes Organ mal ein paar Jahrzehnte im gleichen Alkohol gelegen hat, soll mans da nicht mehr rausholen. — Wie läufts bei euch da oben?« Elli Schubert hatte zu lange im Unterirdischen gelebt. Alles, was sich jenseits ihrer Kellerwelt von Souffleusenkasten und Kantine abspielte, war für sie da oben .
»Geht so.« Cora machte sich daran, die Frikadelle zu zerlegen. »Ich kann noch nicht viel sagen. Wir haben ja erst angefangen mit den Proben. Irgendwie ist es schon komisch, das alte Zeug wieder aufzuwärmen. Ich komme mir vor wie eine Archäologin. Knochen ausbuddeln, abstauben, zusammensetzen und hoffen, daß es ein Dinosaurier wird. Im Augenblick sieht es allerdings noch nicht sehr beeindruckend aus. Vorläufig sollten wir das Ganze lieber Auf der Suche nach dem verlorenen Ring nennen.«
Elli schwenkte ihr leeres Schnapsglas in Richtung Tresen. Sie war die einzige Person, die in der Opernkantine Bedienungsservice genoß. »Wie gehts dem Herrn Regisseur«, erkundigte sie sich.
Cora rammte ihr Messer in die Rest-Frikadelle. »Da
mußt du Frau Raven-Winterfeld fragen«, knurrte sie. »Ich bin dafür nicht mehr zuständig!«
»So so. Hat sich der große Künstler also anderweitig vermählt.« Mit majestätisch knappem Kopfnicken nahm die Souffleuse den Kirsch in Empfang. »Winterfeld — ist das nicht diese kleine Haselmaus, die unsere Woglinde gesungen hat? Da will ich mal Hals-und Ehebruch wünschen.« Sie leerte das Glas. Leise hallte der Schnaps in ihrer Kehle nach.
Amüsiert betrachtete sie die Dramaturgin, deren Hände den grüngeringelten Stiel ihres Weinglases würgten. »Mädchen, sei froh, daß du den Kerl los bist. Hab früher auch immer geglaubt, ich bräucht so nen Hausbesorger. Konnte kein saftiger Männerarsch vorbeikommen, ohne daß mir das Wasser zwischen den Beinen zusammengelaufen ist. Na ja, Gott sei Dank ist jetzt Ruhe da unten.«
Cora paffte kommentarlos.
»Gibt prinzipiell zwei Sorten Männer«, dozierte Elli unaufgefordert weiter. »Die einen wollen ne Frau, die ihnen den Küchenboden schrubbt. Arschfritzen, aber harmlos. Viel schlimmer sind die andren, die dich auf einen Sockel heben und erklären, du wärst ihr Leben. In Wirklichkeit suchen die nämlich auch nur ne Putzfrau, und zwar eine für den Seelenhaushalt. Und glaub mir: Im Vergleich zu so nem sentimental-genialischen Männerhirn sind verschissene Unterhosen ein wahres Gottesgeschenk. «
Die Souffleuse zündete sich einen stinkenden Zigarillo an. »Übrigens, hast du eigentlich schon mal in eine Orchesterprobe reingehört«, fragte sie die ausdauernd schweigende Dramaturgin.
Cora blickte kurz auf. »Nö. Sollte ich?«
»Hab gestern mal vorbeigehorcht. Der rührt da einen Klangbrei zusammen, unser gran maestro — schlimmer als das Kartoffelpüree hier in der Kantine.« Wölkchen sammelten sich um das Haupt der ausrangierten Souffleuse. »Kinder, was waren das für Zeiten, als Haffner an diesem Haus dirigiert hat. Glaube, er ist der einzige Mann, für den ich immer noch durchs Feuer gehen würde. « Ihr Blick wurde glasig. »Neunundsiebzig. Die Gezeichneten. Erinnerst du dich? — Eigentlich war ich schon zu alt für die Carlotta. Der Kirsch und die Koloraturen haben sich auch nicht mehr so gut vertragen. Hätte nie gedacht, daß Haffner mir die Rolle noch zutraut.« Die alte Frau zeigte ein vergilbtes Lächeln. »War meine letzte Rolle vorm Abgang in den Kasten. Und mein größter Erfolg.« Ihr Blick zersprang. »Könnte den Mistkerl eigenhändig erwürgen«, brummte sie. »Dafür, daß er seinen Vertrag damals nicht mehr verlängert hat. Das Chaos ist aufgebraucht, hat er gesagt, es war die beste Zeit .« Sie wiegte den Kopf. »Wer weiß. Vielleicht hatte er recht, der alte Steinbeißer.«
Elli Schubert stülpte sich das leere Schnapsglas über den Daumen. »Dabei sah es nach den ersten fünf Jahren gar nicht so aus, als ob sich der Frankfurter Kulturmob jemals auf ihn einschießen würde«, redete sie in beschwingterem Ton weiter. »Weiß noch genau, wie er bei seiner Halbzeit-Pressekonferenz erklärt hat, er würde dieses Haus als Intendant erst verlassen, wenn keiner mehr im Zuschauerraum sitzt.« Sie lachte. »Zwischendurch hatte ers ja fast geschafft. Kann mich
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