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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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jetzigen Etat konnte die Oper gleich nach der Eröffnungs-Premiere wieder schließen.
    Mit Leichenbittermiene starrte er auf das Telefon. Vergeblich hatte er den ganzen Vormittag versucht, die Kulturdezernentin an die Strippe zu kriegen.
    Ein rüdes Klopfen hinderte den Generalmanager daran, abermals zum Hörer zu greifen. Noch bevor er die Luft eingesogen hatte, um ein säuerliches Ja bitte? zu näseln, flog die Tür auf.
    Unausgeschlafen und unrasiert stolperte der Regisseur über den roten Läufer.
    »Herr Preuss«, stieß er zornig hervor, »Herr Preuss!
Was Sie mir da andrehen wollen, ist unmöglich! Vollkommen unmöglich!«
    Angeschlagen machte ervor dem wuchtigen Schreibtisch Halt. »In meiner Inszenierung werden die Walküren weder Lanzen aus dem Troubadour, noch aus Turandot, noch aus sonstwoher tragen. Sondern einzig und allein die Speere, die ich entworfen habe. Und die der Waffenmeister nach meinen Skizzen anfertigen wird.«
    Er mußte sich auf der Tischplatte abstützen, um das labile Gleichgewicht zu wahren.
    Der Generalmanager musterte ihn mit einer Mischung aus Degout und Erbarmen. »Es tut mir leid, Herr Raven! Aber Herr Geifel wird Ihre Speere nicht anfertigen. Ich habe sämtlichen Werkstättenleitern die Anweisung gegeben, Arbeiten für den Ring nur noch nach Rücksprache mit mir auszuführen. Dabei wird es bleiben. «
    »Bitte?« Der Regisseur blickte ungläubig hoch. Seine Augen blinzelten entzündet. »Es stimmt also tatsächlich: Ich muß in Zukunft erst bei Ihnen um Erlaubnis fragen, bevor ich den Werkstätten einen Auftrag geben darf?«
    »Nun, diese Formulierung scheint mir doch etwas überzogen.« Hermann Preuss lächelte maliziös. »Es wäre mir bedeutend wohler, wenn Sie es in der Weise auffassen würden, daß wir uns einfach bemühen, bessere Koordinationsstrukturen herzustellen.«
    » Koordinationsstrukturen «, höhnte Alexander Raven und patschte mit schweißiger Hand auf den Walnuß-Schreibtisch. »Entweder bin ich der Regisseur, oder Sie sind es. Ich bin weder gewohnt noch willens, mich koordinieren zu lassen.«
    »Herr Raven.« Der Generalmanager brachte seine Brieföffner in Sicherheit. »Sie können sicher sein: Es liegt mir gänzlich fern, Ihre künstlerische Autorität unterminieren zu wollen. Aber wir haben den Etat für diese Produktion bereits um eine sechsstellige Summe überschritten. Das Wasser steht uns ohnehin schon bis zum Hals. Der gesamte Spielbetrieb ist gefährdet. Als Generalmanager bin ich verpflichtet, in einer solchen Situation die Notbremse zu ziehen.«
    Er ließ ein silbernes Stilett zwischen seinen Fingern wippen. »Und seien wir doch mal ehrlich: Kein einziger Zuschauerwirdmerken, ob diese Lanzen nun fünf Zentimeter länger oder breiter sind.«
    Alexander Raven stieß sich vom Schreibtisch ab. »Es geht hier nicht um fünf Zentimeter, Herr Preuss«, knurrte er kehlig. »Es geht um Kompetenzen. Und darum, was man unter einer Inszenierung versteht. Ob man nach einer künstlerischen Aussage, nach einer ästhetischen Einheit strebt — oder ob man aus der Bühne einen Ramschladen machen will.«
    Beide Männer zuckten zusammen. Das anthrazitgraue Telefon klingelte schrill.

26
    Acht Walküren warteten auf die Mobilmachung. Noch taten Gerhilde, Ortlinde, Waltraute, Schwertleite, Helmwige, Siegrune, Grimgerde und Roßweiße ihren Namen keine Ehre an. In den schlichten schwarzen Hosen und Oberteilen, die erst kurz vor den Hauptproben aus Leder sein würden, glichen sie eher der Puppen-Spielgruppe
am Frankfurter Volksbildungsheim denn Wagners gefürchtetem Kampfgeschwader.
    »Wie? Mona, was hast du gesagt?« Jochen Sywoll kniff die Augen zusammen und preßte das Handy enger ans Ohr. Der Apparat verfing sich in dem Ärmel seines provisorischen Göttermantels. »Du, ich kann dich nur ganz schwer verstehen. Was?« Angestrengt trichterte der Sänger seinen Baß in das zierliche Gerät hinein. Die Walküren waren dazu übergegangen, sich mit Tratsch und Klatsch auf die bevorstehende Schlacht einzupeitschen.
    »Ja, Mona, die Probe fängt gleich an«, brüllte der Sänger durch eine achtstimmige Lachsalve hindurch. »Du, es hat jetzt wirklich keinen Sinn — nein — ich rufe dich später zurück. Also tschüß, bis dann.« Eine weitere Lachsalve detonierte hinter seinem linken Ohr. Seufzend drückte er die Antenne in das Handy hinein. Er wünschte, die Probe, die ihn zum alleinigen Truppenbefehlshaber erheben würde, möge tatsächlich bald beginnen.
    Gwendolyn lehnte

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