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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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mit überkreuzten Beinen an der Wand. Sie zwirbelte die Spitzen ihrer Flapper -Frisur. Geneigten Kopfes betrachtete sie den Sänger.
    Der rampenlichtverwöhnte Jochen Sywoll merkte lange Zeit nicht, daß er beobachtet wurde. Erst als sein Blick zufällig die Wand streifte, entdeckte er die Hospitantin. Er rückte sich gerade, heftete beide Hände an den Mantelrevers und lächelte ihr gönnerhaft zu.
    »Diese Warterei ist manchmal ganz schön lästig, nicht wahr«, dröhnte er durch das Frauengetöse hindurch. Wotans forsche Töchter kamen langsam in Fahrt.
    »Ach, geht so«, sagte Gwendolyn. Mit dem Anschein harmloser Zufälligkeit flanierte sie in seine Richtung.
    »Bist du das erste Mal bei so einer Opernproduktion dabei«, fragte er sonor, nachdem sie sich neben ihn gesetzt hatte. »Ich darf doch du zu dirsagen?«
    »Klar darfst du. Ich bin Gwendolyn.« Sie streckte ihm die Hand hin.
    »Ich bin Jochen«, gab er großzügig zurück. »Irgendwie kommst du mir bekannt vor. Hast du vielleicht mal hierim Kinderchor mitgesungen?«
    »Nö,« Die Hospitantin schüttelte entschieden den Bubikopf. »Kann aber sein, daß wir uns einfach so über den Weg gelaufen sind. Ich hab mich früher immer hintenrum, durch den Pförtnereingang, in den Zuschauerraum reingeschmuggelt. Außerdem hab ich manchmal heimlich bei Proben zugeguckt.«
    »Aha, so ist das also«, lachte der Sänger. In Ermangelung weiterer Gesprächsideen machte er sich daran, das Handy in seiner ledernen Umhängetasche zu verstauen.
    Gwendolyn verfolgte jeden der umständlichen Handgriffe, als gehörten sie zum priesterlichen Hochamt.
    »Sag mal, bist du eigentlich gern Wotan«, fragte sie forschend.
    »Ja«, brummte der Sänger, »es ist schon eine meiner liebsten Rollen.«
    »Nein, ich meine, ob du wirklich gerne Wotan bist .«
    Jochen Sywoll sah sie verwundert an.
     
    Schwer bepackt kam Reginald auf die Probebühne gewankt. Unter den einen Arm hatte er sich neun Lanzen geklemmt, mit dem anderen schleifte er einen scheppernden Sack. Am Regiepult setzte er seine Lasten ab.
Das Speerbündel fiel wie ein Riesenmikado auseinander.
    Alexander Raven schrak aus seiner dumpfen Versenkung hoch.
    »So, da wären wir«, ächzte der Assistent. »Das müßte eigentlich alles sein.«
    Der Regisseur schwieg. Er fuhr sich über die räudigen Bartstoppeln. Widerwillig betrachtete er die Zigarette, die sich in seine Hand geschlichen hatte.
    Reginald öffnete den Sack. »Bei den Helmen waren das die einzigen, von denen wir neun gleiche Exemplare gefunden haben«, sagte er und legte einen feldgrauen Stahlhelm auf den Tisch. »Sie sind aus dem Riefenstahl-Abend, den Kresnik hiermit dem Ballett gemacht hat«, fügte er hinzu. »Wenigstens für die Proben geht das doch, oder?«
    Alexander Raven spuckte Tabak aus. »Warum auf einmal so skrupulös«, spottete er schlechtgelaunt. »Warum denn nur für die Proben? Walküren in Riefenstahlhelmen! Das ist doch genau das, was wir schon immer sehen wollten !«
    »Ist irgend etwas nicht in Ordnung«, fragte Reginald verunsichert.
    »Nein, nein«, säuselte der Regisseur übertrieben, »es ist alles in Ordnung. Wie kommst du nur auf die Idee, hier könnte etwas nicht in Ordnung sein!« Erschwenkte seine Zigarette über den Stahlhelm, zögerte eine Sekunde und aschte auf den Boden.
    »Reginald, schaff dieses Zeug wieder weg«, befahl er unleidlich. »Ich will diesen Schrott nicht vor meiner Nase haben.«
    Er atmete aus. Seine Hand sank auf den Nachbarstuhl.
Die Sitzfläche war kalt. Er betrachtete die feuchten Spuren, die seine Finger auf dem dunklen Holz hinterließen.
    Die Hospitantin lachte am anderen Ende des Saals. Unterihr Gekicher legte sich bauchiges Männergelächter. Alexander Raven blickte auf. Das Mädchen und Jochen Sywoll hockten in einer Ecke. Der Regisseur führte seine Zigarette an die Lippen. Mit einem innig definitiven Zug verabschiedete er sich von ihr.
    Er klärte seine Stimme. »Gwendolyn«, rief er an den acht lärmenden Frauen vorbei, »Gwendolyn, kannst du bitte mal herkommen?«
    Die Hospitantin riß sich von ihrem Götterdarsteller los. Ohne Eile schlenderte sie auf das Regiepult zu. »Ja? Was gibts«, fragte sie freundlich erstaunt.
    Der Regisseur kratzte verlegen an der Tischplatte. »Ich dachte nur – «, begann er stockend, »weil — Cora wird bei den Proben nicht mehr dabeisein. Und da dachte ich, vielleicht könntest du mir jetzt ein wenig helfen. «
    Die Hospitantin schaute ihn großäugig an.

27
    Fünf lange

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