Ringkampf: Roman (German Edition)
Ruck.
» Hi! « Sie hob die Hand zum Gruß. » Hi, watcha doin’ here? «
Das Pferd schüttelte stumm die Mähne.
Die Sängerin betrachtete ihre Hand, die sonderbar sinnlos in der Luft hing.
» Okay «, lallte sie. » You don’t have to talk to me. Nobody has to talk to me. If you don’t want to, we won’t talk, okay? I don’t have to talk .«
Sie wandte sich ihrem Spiegelbild zu. Mit tauben Fingern stocherte sie in ihren Locken herum. Das Pferd schaute sie traurig an. Sie drehte sich wieder um.
» Hungry? Thirsty? Help yourself! Plenty of stuff around .«
Mit einem elanigen Rundumschlag schmiß sie den Blumenstrauß und die Champagnerflasche um. Ihr Arm sackte herab. Bleischwer pendelte er neben ihrem Körper.
Der Schimmel scharrte dreimal mit den Hufen.» Jessy «, sagte er mit feierlichem Ernst, » Jessy! You have to come with me, right now .«
Die Sängerin schüttelte ihren Kopf. » Impossible. Absolutely impossible. Rehearsal time .«
Ihr Kopf war eine Rassel. Eine Rumbarassel, in der Tausende winziger Sandkörnchen tanzten.
» Jessy «, beharrte das Pferd. » Jessy! Your life is at stake. I’m taking you to the hospital .«
Die Sängerin wollte um Hilfe schreien, aber sie hörte nur ihre Zähne, die wie die beiden Klapphölzer einer Perkussionspeitsche aufeinanderknallten.
Das Pferd kniete nieder. Vorsichtig legte es die totenbleiche Sängerin über seinen Rücken. Jessica Johnson-Myer stürzte ins Bodenlose.
28
Benito Bellini tobte. Reginald saß stumm am Schreibtisch seines Herrn und ließ das Allegro furioso auf sich niederprasseln.
» Madonna mia , ich bringe ihn um! Ich werde ihn mit meinen eigenen Händen erwürgen.« Der Dirigent zerquetschte eine Handvoll Luft. »Wie konnte er es wagen! Diese wunderbare, große Sängerin! Es ist unfaßbar! Er,
dieses Nichts, questo brutto bastardo .« Er schlug sich mit geballten Fäusten an die Stirn. » Dio , wenn Jessica nun nicht mehr singen kann! Es ist eine Katastrophe!« Der Teppich löste sich unter seinen Schritten auf. » Questo figlio di puttana! Ich bringe ihn um!«
»Ich glaube nicht, daß Ivan es war«, preßte Reginald hervor. Seine Zähne hatten sich in den letzten Minuten stumpf gemalmt.
» Ah no? « Der Maestro blieb heftig stehen. Brandgeruch stieg auf. » Non lo credi? Du einfältiger Dummkopf ! Natürlich war er es! Hast du vergessen, wie er mich an meinem Geburtstag angegriffen hat, wie er Jessica gedroht hat?«
Reginald zwang seinen Kopf nach oben. »Es gibt eine Erklärung, die ich für wesentlich naheliegender halte.«
Benito Bellini knurrte Verächtliches. Reginald blieb tapfer. »Vor ungefähr zehn Tagen bin ich den Flur vor den Klavierzimmern entlanggegangen«, begann er. »Plötzlich höre ich eine Frau. Sie singt Brünnhilde. Den Anfang ihrer ersten Szene mit Wotan. Ich halte an und wundere mich, denn ich denke, es muß Mrs. Johnson-Myer sein, und wir haben sie ja erst am nächsten Morgen erwartet. Ich klopfe also an, um sie willkommen zu heißen. Und wie ich die Tür öffne, sehe ich: Es ist gar nicht Mrs. Johnson-Myer.« Reginald spitzte die Lippen. »Es war Frau Raven-Winterfeld.«
»Ja und?« Bellini stampfte entnervt auf. »Frau Raven kann üben, was sie will.«
Reginalds Finger verschlangen sich unter dem Tisch zu einem doppelten Kreuzknoten. »Warte, das ist noch nicht alles. Frau Raven-Winterfeld war es offensichtlich sehr, sehr unangenehm, daß ich sie dabei ertappt habe,
wie sie die Brünnhilde singt. Zuerst hat sie sich ganz nervös über die Noten gebeugt und ist errötet. Dann hat sie mich angefaucht, ob ich fremde Zimmer immer beträte, ohne anzuklopfen. Regelrecht angefahren hat sie mich.«
» Verdammt! Was soll das?« Benito Bellinis Arme sirrten durch die Luft.
Reginald atmete tief ein. »Ich denke, Frau Raven-Winterfeld hat versucht, Mrs. Johnson-Myer zu vergiften, damit sie dann die Brünnhilde übernehmen kann.« Er verstummte einen Moment. Doch seine Worte vermochten keinen triumphalen Nachhall zu entfalten. »Bei den Proben machte sie bisher einen äußerst mißlaunigen Eindruck auf mich«, redete er rasch weiter. »Man hat es ihr deutlich angemerkt: Die Rheintochterrolle erfüllt sie nicht. Ich halte es für möglich, daß sie ihren Fall in den Orchestergraben selber inszeniert hat, um nicht mehr länger in dieser Rolle probieren zu müssen. « Er legte die entknoteten Fingerspitzen aneinander. »Es wäre auch nicht das erste Mal, daß eine Sängerin ihre Rivalin vergiftet, um sich deren
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