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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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geworden. Schau dich doch einmal im Spiegel an. Wie ein Gespenst schleichst du herum. Alexander, ich mache mir Sorgen um dich. Um uns. Was ist los mit dir? Sowie in den letzten Wochen habe ich dich noch nie erlebt.«
    Sie warf das blutige Küchenhandtuch auf den Boden. »Ich hasse ihn«, flüsterte sie. »Dieser Ring hat uns nichts als Unglück gebracht.«

23
    Dem Orchester blies ein rauher Wind entgegen. Gewitterwolken türmten sich am Horizont. Düsternis umwehte Benito Bellinis Miene, als er seinen Stab zum Vorspiel der Walküre hob.
    Violinen und Bratschen tremolierten wie Pappelwald.
Die bodenständigeren Streichinstrumente kämpften sich durch das aufgewühlte Sturmmotiv.
    »Halt! Die bassi alleine!« Der Maestro stampfte wütend auf. »Was ist das! Ich habe Ihr Gehalt nicht erhöht, damit Sie nur noch die Hälfte der Noten spielen! Quintolen haben fünf Töne, und ich will jeden Ton hören! A-a-a-a-a-bá, bá, bá, bá, bá; a-a-a-a-a-bá, bá, bá, bá, bá«, peitschte er die Rhythmen. Schwerfällig stolperten ihm die Kontrabässe hinterher.
    »Halt«, brüllte er wieder. »Werist da zu langsam? Bitte, spielen Sie einzeln!« Er ruckte seinen Kopf in Lauschposition.
    Die Bassisten blickten finster über die breiten Schultern ihrer Instrumente.
    »Keine Diskussionen«, schnarrte der Dirigent. »Fangen Sie an! Bitte, Herr Fink!«
    Widerwillig zückte der Musiker seinen Bogen. Die Stahlsaiten zitterten unter den ruppigen Strichen.
    »Gut, der nächste«, winkte Bellini ab.
    Der zweite Bassist stürzte sich in die wilde Hatz.
    »Gut, der nächste!«
    Der dritte Bassist stürzte sich in die wilde Hatz.
    »Halt«, donnerte der Maestro dazwischen. »Hören Sie nicht, daß Ihre Quintolen schleppen! Wozu hat Gott Ihnen Ohren gegeben? Zum Hören oder zum Sitzen? Denken Sie etwas schlanker, auftaktiger. Bitte!«
    Gnadenlos wie ein Feldwebel ließ Benito Bellini den dritten Bassisten durch das sture Ostinato exerzieren.
    Der Maestro klopfte ab. » Bene, tutti da capo «, rief er. Die vorgeführten Kontrabässe funkelten ihn vernichtend an.

24
    »Cora, ich muß mit dir reden.« Alexander Raven saß hinter seinem Schreibtisch und starrte durch den zerbrökkelnden Fliegenschiß zum Fenster hinaus. Die gegenüberliegenden Häuser waren Lichtjahre entfernt.
    Wortlos klopfte die Dramaturgin eine Zigarette aus ihrer Schachtel.
    »Es kann so nicht weitergehen«, sagte er kalt.
    Cora zündete sich die Zigarette an. »Was? Wieso? Die letzten Proben liefen doch einigermaßen. Findest du nicht?« Sie setzte sich mit halbem Hintern auf die Tischkante.
    Alexander Raven schnitt sie. »Stell dich – bitte — nicht dümmer, als du bist!«
    Sie gab sich Mühe, nicht ironisch zu klingen. »Ich fürchte, ich bin dümmer, als ich bin«, sagte sie. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon du sprichst.«
    »Dann werde ich eben deutlicher«, knurrte der Regisseur. »Ich muß dich dringend auffordern, Elisabeth in Ruhe zu lassen.«
    Sie schaute ihn überrascht an. »Es tut mir wirklich leid, anscheinend ist bei mir heute Tag der Hirnfinsternis: Ich habe immer noch keinen Schimmer, wovon du redest.«
    Sein Blick floh den ihren wie einen gleichgepolten Magneten. »Hör auf, die Scheinheilige zu spielen! Die Rolle steht dir nicht! Du weißt ganz genau, daß ich von diesem albernen Päckchen rede, das du Elisabeth geschickt hast.«
    »Bitte? Ich — habe Elisabeth ein Päckchen geschickt?«
Fragezeichen aus Zigarettenrauch stiegen zur Zimmerdecke auf. »Und was wardrin – in meinem Päckchen?«
    »Cora, mach dich nicht lächerlich! — Oder ist die große Geradlinige, die früher glaubte, jedes Problem ließe sich im Nahkampf aus der Welt schaffen, nun doch feige geworden?« Für wenige Sekunden polte der Regisseur seinen Blick um. Die beiden Augenpaare blitzten sich an.
    »Verdammt noch mal, sag mir jetzt endlich, was los ist!« Cora stand auf. Der Schreibtisch erbebte.
    »Elisabeths Unfall. Da hat jemand nachgeholfen.« Alexander Raven wandte sich wieder ab. »Die Schaukeln sind nur wenige Tage zuvor vom TÜV abgenommen worden. Das Seil ist nicht von selber gerissen. Und gestern hat ein Mensch mit ausgesuchtem Humor Elisabeth meinen Ehering vor die Tür gelegt. Kommentar: Verflucht sei dieser Ring . . . bis in meiner Hand den Geraubten wieder ich halte. Ich glaube, ich brauche dir weiter nichts zu erklären. Erinnerst du dich jetzt?«
    Die Dramaturgin lachte auf. »Das ist — absurd.«
    »Jawohl, es ist absurd. Aber es ist die Wahrheit«,

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